Vorkämpfer mit Jesuslatschen

Tinariwen: Aman Iman (Water ist Life)

Wasser heißt Leben. Erst recht in der Wüste. Tinariwen zählen zur Volksgruppe der Tuareg, die in der westlichen Sahelzone traditionell als Nomaden leben. Nach den katastrophalen Dürren der siebziger und achtziger Jahre verändert sich das Leben der Tuareg im Nordosten Malis in dramatischer Weise. Ohne Arbeit, ohne Perspektive, suchen einige ihr Glück im Ausland. Andere, wie Tinariwen, radikaler in ihren politischen Überzeugungen, folgen dem Ruf Ghaddafis in lybische Trainingscamps. Mit der Kalaschnikov bewaffnet, kehren sie zurück in ihre Heimat, um gegen die Staatsmacht Malis zu kämpfen. Aber noch was hat sich für Tinariwen im Camp verändert: dort hören sie zum ersten Mal Rock, Blues und Soul. Mit den von ihrem Kommandeur finanzierten elektrischen Gitarren kriegt die Revolte ihren Soundtrack.

Der Friedenschluss von 1992 beendet die bewaffneten Auseinandersetzungen. Tinariwen aber setzen ihren Kampf für kulturelle Eigenständigkeit fort, jetzt jedoch gewaltfrei: mit Musik. Ihre Songs handeln von Versöhnung, Wiederaufbau, Erziehung, Bildung und Frieden, wenden sich aber auch gegen überkommene Strukturen in der Tuareg-Gesellschaft. 2003 beim Festival au Desert nahe Timbuktu sind Tinariwen die Überraschung des Festivals. Die anwesende Presse berichtet begeistert über die Rock-Rebellen. Tinariwen knüpfen währenddessen Kontakte zu Musikern in aller Welt, unter anderem Manu Chao, Robert Plant und Taj Mahal.

Tinariwens Sound ist der Blues der Savanne, karg, rau und authentisch und durch die repetetiven Gitarren-Riffs und Chorgesänge trancehaft. Damit aber auch zugänglich für westliche Ohren. Mehr als 80000 Exemplare ihres 2004 veröffentlichten Vorgängeralbums Amassakoul gehen über die Verkaufstresen. Ihr Wüsten-Blues wird obendrein durch die Wertschätzung berühmter Kollegen geadelt. Carlos Santana, der Tinariwens Musik anlässlich eines gemeinsamen Auftritts erlebte, sagt, sie sei die Quelle für die Musik von Muddy Waters, Jeff Beck und Buddy Guy. Gibt es ein besseres Lob?

Peter Rixen

CD, ROUGH TRADE

Fotos: Argum / promo/ verleih

Ralph Erdenberger: Bilder im Ohr

Kampf dem Museumsstaub! WDR-Moderator Ralph Erdenberger nimmt Kinder mit auf eine Entdeckungsreise durch die Welt der Kunst. Bilder im Ohr besteht aus einem großformatigen, schön reproduzierten Bilderbuch und einer Audio-CD mit Kurzhörspielen. Kunst aus neuer Perspektive: Herkules erzählt von seinem Stress als Superheld, und zwei Schwestern tuscheln ungeduldig, während sie von einem holländischen Meister porträtiert werden - lange vor der Erfindung der Digitalkamera. Fritzchen, das sprechende Mikrofon, gibt den cleveren Reiseleiter: Er erklärt Fachbegriffe, stellt Künstler vor und fragt: "Kannst du dir vorstellen, wie die Welt ohne Farben aussehen würde?" Die Bilder fangen an zu sprechen: Die Schwämme Schwibbel und Schwabbel erinnern sich wehmütig an Yves Klein und sein unglaublich blaues Farbpulver. In Daniel Spoerris Küche müsste dringend mal der Aschenbecher ausgeleert werden. Und die Füchse auf dem Bild von Franz Marc flüstern: "Ich würde mit keinem Menschen tauschen wollen. Wir Tiere sind doch die besseren Menschen." Ralph Erdenberger gelingt es mit leichter Hand, trockene Kunstgeschichte in kindgerechte Abenteuer zu verwandeln. So machen Bilder Spaß.

URH

PRESTEL VERLAG, 19,95 €


Holger Burner: Cypherpropaganda

"Ich hasse Rap mit 'nem Bundesadler drauf" und "wenn ich rappe, läuft der Kanzler weg": auf seiner neuen CD Cypherpropaganda legt "Deutschlands letzter, echter Politrapper" (Royalbunker) Holger Burner im ersten Song Ketten zerreißen gleich derb-deftig los. Wer die Arbeitgeberverbände und die Massenmedien super findet, sollte die Scheibe am besten gleich wieder vom CD-Player oder Laptop auswerfen lassen. Denn anders wird es auch in den noch folgenden 21 Stücken nicht zugehen. Holger Burner, der eigentlich David Schultz heißt, aus Kassel kommt, mittlerweile aber in Hamburg-St. Pauli lebt, bekennt sich offen zur politischen Gegenkultur und zum Sozialismus. "Wir machen keine Promo, wir machen Propaganda", heißt es dazu passend im Song Independent. Kommerzrap ist ihm fast genauso verhasst wie der ehemalige hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD), an den sich Burners Künstlername anlehnt. Schon in der Schulzeit in die ÖTV eingetreten, ist Burner auch ver.di treu geblieben. Er rappt gern auf Demonstrationen, Gewerkschaftsveranstaltungen und bei Streiks. Man kann ihn wohl als derzeit radikalsten und nicht nur deswegen besten Gewerkschaftsrapper Deutschlands bezeichnen.

MAS

CD, Unityshop, www.unityshop.de, Video unter www.myspace.com/ holgerburner