Erfolge scheinen die Gewerkschaften nicht gestärkt zu haben. ver.di sucht Auswege

Inwieweit befinden sich die Gewerkschaften in einer strategischen Defensive? Dieser Frage gingen die Teilnehmer/innen eines Workshops zur programmatischen Diskussion in ver.di nach. Über die Tatsache, dass sich viele Gewerkschaften in den entwickelten kapitalistischen Ländern in einer Defensive befinden, konnte sehr schnell Einigkeit hergestellt werden. Rückläufige Mitgliederzahlen, sinkende Tarifbindung oder nicht ausgeschöpfte Verteilungsspielräume verdeutlichen die Lage der meisten Gewerkschaften, trotz relativer Erfolge.

Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender, machte eine ganze Reihe von Ursachen dafür verantwortlich: Neue Organisationsformen der Produktion, dadurch veränderte ökonomische Beziehungen weltweit, die Umbrüche in der Arbeitswelt durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien, die Auflösung der "Normalarbeitsverhältnisse", die anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit sowie die Abkehr der Unternehmer von der Sozialpartnerschaft und ihrer Bereitschaft, Flächentarifverträge abzuschließen.

Eva Roth, Redakteurin der Frankfurter Rundschau, bescheinigte den DGB-Gewerkschaften, dass sich ihr Image in der Öffentlichkeit seit 2003 verbessert hat. Gleichwohl sei es den Gewerkschaften nicht gelungen, die Meinungsführerschaft in wichtigen arbeits-, sozial- und gesellschafts- politischen Themenfeldern zurückzugewinnen. Positiv falle dabei die Mindestlohnkampagne von ver.di und NGG auf. Viele Journalisten stellten bei Gewerkschaften eine Glaubwürdigkeitslücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in ihrem Handeln fest. Deshalb sei es umso wichtiger, dass ver.di eine offene Strategiediskussion führt, betonte Eva Roth.

Prof. Dr. Bodo Zeuner von der Freien Universität Berlin erinnerte daran, dass die von seinem Institut in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung empfohlenen Handlungsoptionen nach wie vor aktuell sind. Gewerkschaften, die sich politisch definieren, sollten sich auch weiterhin für Arbeit und soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft einsetzen.

Die deutschen Gewerkschaften sollten ein Teil der sozialen Bewegungen werden. Sie müssten sich stärker inter- und supranational orientieren. Gewerkschaften sollten Solidarität organisieren und nicht zu reinen Dienstleistungsagenturen mutieren. Die Gewerkschaften sollten ihr Gesellschafts- und Menschenbild noch offensiver als bisher vertreten.

Wie man mit welchen Handlungsoptionen die Defensive der Gewerkschaften überwinden kann, soll in einem Folge-Workshop im Herbst erörtert werden. Die Bedeutung der internatio-nalen Gewerkschaftsarbeit ist Thema eines Seminars zur programmatischen Diskussion in ver.di, das vom 4. bis 6. Mai 2007 in der Heimvolkshochschule Springe stattfindet. Interessierte Kolleg/innen sind herzlich willkommen. Anmeldung:bernhard.pfitzner@web.de