500000 Ausländer leben in Südkorea, die Hälfte ohne Papiere und in Angst, verhaftet zu werden

Von Rebecca Roth

"Bringt uns nicht um!" - Arbeitsmigranten in Südkorea

Masum A.B.M. Moniruzzaman, der Generalsekretär der Migrant Workers Trade Union (MTU) in Südkorea, ist wütend. Es gab wieder eine Razzia. In der Nacht stürmten Polizisten eine Unterkunft und verhafteten neun Arbeitsmigranten, die jetzt auf ihre Abschiebung warten. Ein normaler Vorgang in Südkorea, denn Arbeitsmigranten, deren Visa ausgelaufen sind, werden rigoros ausgewiesen. Dabei braucht die elftgrößte Wirtschaftsnation die billigen Arbeitskräfte aus dem Ausland. Seit 1993 werden ständig neue Arbeiter/innen angeworben, vor allem aus Bangladesh, Nepal, den Philippinen, Vietnam, Indonesien und Sri Lanka. Sie arbeiten auf dem Bau und in Textilfabriken, in der Metallindustrie, in Fischerei und Landwirtschaft.

Masum Moniruzzaman kommt aus Bangladesh. Der 40-Jährige lebt seit elf Jahren in Südkorea. Eine Aufenthaltserlaubnis hat er nicht, denn länger als drei Jahre sind Arbeitsmigranten im Land nicht erwünscht.

Am Ende ein Berg Schulden

Südkorea, das sich lange als ethnisch homogenes Land verstand, tut sich schwer damit, Ausländern eine permanente Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. Seit 2004 wurden nach Angaben der MTU über 100000 Arbeitsmigranten verhaftet und mehr als 75900 gewaltsam in ihr Land zurückgebracht. Viele wurden dabei schwer verletzt, es gab sogar Tote.

"Sie jagen uns wie Tiere. Sie tun alles, um uns zu schnappen. Ob unsere Menschenrechte respektiert werden oder nicht, ob wir sterben oder nicht, ist ihnen egal. Warum? Weil wir nur ausländische Arbeiter sind", empört sich Moniruzzaman. "Dabei arbeiten wir hart. Wir sind legal ins Land gekommen, doch jetzt werden wir illegalisiert!" Grund dafür ist, dass eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht möglich ist. Nur wer freiwillig nach drei Jahren ausreist, kann nach einem Monat erneut ein Visum beantragen. Eine Garantie dafür, wieder einreisen zu dürfen, gibt es jedoch nicht. Mit leeren Händen in die Heimat zurückzukehren ist für die Arbeitsmigranten aber keine Option. Die meisten haben beträchtliche Summen an Agenturen gezahlt, um überhaupt nach Südkorea zu kommen. Dort sind die Lebenshaltungskosten enorm hoch. Von den 280 Euro, die er im Monat verdiente, musste er 210 bis 220 Euro für Essen und Transport ausgeben, erzählt Moniruzzaman. Dazu Arztrechnungen.

Unfälle und Krankheiten sind wegen der Arbeitszeit von durchschnittlich 13 Stunden am Tag, der schweren körperlichen Arbeit, des vor allem in der Textilindustrie schmutzigen Umfelds und der Gefahren auf dem Bau keine Seltenheit. Und oft genug werden Migranten um ihren Lohn geprellt.

Am Ende stehen viele vor einem Berg Schulden, anstatt vor Ablauf des Visums eine Menge Geld verdient zu haben. An diesem Punkt entscheiden viele Migranten, ihre Abreise zu verschieben und weiterzuarbeiten. Mittlerweile ist die Hälfte aller Arbeitsmigranten ohne Papiere und weitgehend ohne Rechte. Daher fordert die Migrantengewerkschaft MTU die Einführung einer unbegrenzten Aufenthaltserlaubnis und eine Legalisierung all jener, die keine Papiere haben.

Migranten-Gewerkschaft

Die MTU gründete sich 2005 als eine der weltweit ersten Gewerkschaften von Arbeitsmigranten für Arbeitsmigranten. Und das, obwohl Migranten in Südkorea nicht das Recht haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Doch im Februar entschied ein Seouler Gericht, dass Arbeitsmigranten Arbeiter sind und daher das Recht auf Gewerkschaften haben. Ein großer Erfolg für die MTU, auch wenn die Regierung sofort in Berufung ging. Noch wichtiger sind für Masum Moniruzzaman das Verständnis und die Unterstützung der koreanischen Arbeiter/innen: "Noch vor fünf Jahren waren die Gewerkschaften nicht bereit, uns aufzunehmen. Jetzt sind wir Teil der KCTU, einer der großen Gewerkschaften im Land. Unser Ziel können wir nur gemeinsam erreichen. Wir sind Arbeiter, genau wie sie. Unser Interesse ist dasselbe."