Die Gewerkschaften fordern mehr Gerechtigkeit für Berlins öffentlichen Dienst

Die Berliner Insellage bei den Tarifen im öffentlichen Dienst wollen sie beenden

Berlin | Bundeskanzlerin Merkel drohte keine Entführung: Die Polizei war schnell zur Stelle, als die 70 Wachleute, die für Sicherheit ihres Berliner Hauses sorgen, am 20. August zwei Stunden streikten. Unbesetzt blieben an diesem Tag auch Posten bei vielen Ämtern und Dienststellen der Stadt Berlin, weil sich deren Angestellte nicht länger als Melkkühe des Senats missbrauchen lassen wollen.

Bei einer Kfz-Zulassungsstelle, bei der Ausländerbehörde oder der Feuerwehr hatten die jeweils zuständigen Gewerkschaften, darunter auch ver.di, gemeinsam zu Warnstreiks aufgerufen. Selbst eine vierzehntägige Mahnwache von Polizisten vor dem Roten Rathaus hatten die Gewerkschaften und ihre Forderungen nicht weitergebracht. Die Beschäftigten wollen drei Einmalzahlungen von je 300 Euro.

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will jedoch nicht mehr zahlen: Schließlich habe sich die Finanzsituation der Stadt gegenüber 2003 nicht verbessert. Das Argument des Senators ist eine Ohrfeige für die Angestellten. 2003 ist das Land Berlin aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Deswegen schlossen ver.di und die Gewerkschaften GdP, GEW und IG BAU einen Anwendungstarifvertrag mit dem Land ab, der bis Ende 2009 läuft. Einerseits sichert er Arbeisplätze, andererseits mussten die Beschäftigten Lohnsenkungen zwischen acht und zwölf Prozent bei entsprechend niedrigerer Arbeitszeit hinnehmen. Dadurch und durch den massiven Stellenabbau der vergangenen Jahre ist die Belastung für die Beschäftigten in vielen Bereichen stark gestiegen.

Einmalzahlungen wie auf der Bundesebene

Eine Regelung im Anwendungstarifvertrag besagt, das wieder verhandelt werden kann, wenn sich Tarifverträge in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes ändern. Da die Beschäftigten auf Bundesebene mittlerweile Einmalzahlungen erhalten haben, fordern auch die Berliner diese für sich. Schließlich habe sich die Finanzsituation Berlins wieder etwas entspannt. Ein Angebot habe der Senat aber nicht gemacht, kritisiert die stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Astrid Westhoff. Sie ist die Verhandlungsführerin einer gemeinsamen Tarifkommission von ver.di, GdP, GEW und IG BAU. Westhoff sagt kategorisch: "Die Geduld ist zu Ende."

Körting indes scheint viel Geduld zu haben. Es könne nur über kostenneutrale Folgen gesprochen werden, sagt der Senator. Was das bedeutet, sagt Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Er hat vor, in den kommenden Jahren tausende Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. Weitere Einschnitte bei der Arbeitszeit, beim Weihnachts- oder Urlaubsgeld sind im Gespräch.

Teile der SPD und der in Berlin mitregierenden Linkspartei haben offenbar Verständnis für die Forderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Ob sich dadurch auch die Haltung des rot-roten Senats ändert, bleibt abzuwarten. ver.di und den Streikpartnern bleibt gar nichts anderes übrig, als die Auseinandersetzung mit guten und tatkräftigen Argumenten weiterzuführen und für die überfällige Lösung im Tarifkonflikt zu kämpfen.