Um die Welt denken

Eine Klimakampagne ist das erste große Projekt des Weltzukunftsrats. Das Netz aus Prominenten und Wissenschaftlern sucht nach Lösungen, die in Reichweite liegen

Von BEATE WILLMS

Vorboten der Klimakatastrophe oder Regenwetter?

Was haben der senegalesische Sänger Youssou N'Dour, der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer und der jordanische Prinz El Hassan, seines Zeichens Präsident des Club of Rome, miteinander zu tun? Und was haben Bianca Jagger, Ex-Frau des Rolling Stones-Sängers, die indische Agrar-Aktivistin Vandana Shiva und die frühere Heidelberger Bürgermeisterin Beate Weber gemeinsam? Alle sind gute Menschen - und Mitglieder des World Future Council (WFC), des Weltzukunftsrats. Ins Leben gerufen wurde der WFC bereits 2004. So richtig zu arbeiten begonnen hat er aber erst vor gut einem Jahr, seit er sein zentrales Büro in Hamburg aufmachte. Inzwischen hat er seine erste große Kampagne gestartet - zum Klimaschutz.

Der WFC hat sich vor allem Umwelt- und Menschenrechtsfragen vorgenommen, die für WFC-Gründer Jakob von Uexküll untrennbar miteinander verbunden sind: "Die Menschheit befindet sich in einer außergewöhnlichen Situation", sagt der Deutsch-Schwede, der auch schon die Right-Livelihood-Stiftung gegründet hat, die alljährlich den Alternativen Nobelpreis vergibt. Trotz eines "nie da gewesenen Fundus an Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen" seien viele Rohstoffe erschöpft, Natur und Umwelt verschmutzt, Arme und Reiche zusehends ungleich. Das führe zu einem "zunehmenden Mangel an Vertrauen in nationale und internationale Organisationen".

Eine moralische Instanz

In diese Lücke will der WFC stoßen - und zwar in einer Zwitterrolle: Einerseits als "moralische Instanz in der demokratischen Arena" oder als "Weltgewissen", andererseits soll er ein "verlässlicher Bezugspunkt für Entscheidungsträger" sein.

In der konkreten Arbeit ist das gar nicht so abgehoben. "Ich bin Possibilist", sagt Uexküll. Es gehe nicht darum das Rad neu zu erfinden, sondern Umsetzungsdefizite ins Bewusstsein zu bringen. In der Klimadiskussion beispielsweise. Nach Aussagen von WFC-Programmdirektor Herbert Girardet ist die Erderwärmung "wahrscheinlich die größte gemeinsame Herausforderung, welche die Menschheit je erlebt hat". Allerdings ist das spätestens seit den Berichten des Weltklimarats in diesem Jahr - und dem Friedensnobelpreis für ihre Autoren - nicht mehr ganz neu. Jetzt geht es vor allem darum, Lösungen zu finden und zu verbreiten sowie Parlamentarier und andere Politiker bei ihrer Umsetzung zu unterstützen.

Dabei kommt dem WFC das umfangreiche Netz an Wissenschaftlern, Politikern und Aktivisten zugute, das seine derzeit 49 Ratsmitglieder einbringen. Denn der WFC ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Mehr als 8000 Organisationen, Parlamentarier, Aktivisten in rund 200 Ländern haben sich an den Vorüberlegungen beteiligt und Mitglieder vorgeschlagen. Die Rechtsform des WFC ist die einer Stiftung. Rund fünf Millionen Euro stehen ihm für die ersten dreieinhalb Jahre zur Verfügung. Die Gründer hoffen, dass der WFC sich bis dahin so verdient gemacht hat, dass die Finanzierung von selbst kommt.

Ein erster Beleg für die Kompetenz des Netzwerkes ist das Buch Zukunft ist möglich. Wege aus dem Klimachaos, das die Klimakampagne begleitet. Darin beschäftigen sich acht Autoren damit, was und wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zur Rettung des Klimas beitragen können: durch eine nachhaltigere Stadtarchitektur, eine integrierte Landwirtschaft, regionale Handelsströme, müllfreie Produktionskreisläufe, effiziente Besteuerung, CO2-Binder und den Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Beiträge sind am ehesten als Fahrpläne zu begreifen. Uexküll schreibt denn auch: "Wo andere die ungeheuren Kosten des Klimachaos geschildert haben, weist dieses Buch auf Lösungsmöglichkeiten hin, die für uns in Reichweite liegen."

"Für viele Probleme gibt es längst eine Lösung, meist im Kleinen, in einer Gemeinde, einer Region, einem Land. Die muss man verbreiten."

Stefan Schurig, Klima- und Energiespezialist im WFC

Manch einem linken NGO-Aktivisten ist das - wie überhaupt die Arbeit des WFC - zu wenig Kritik, zu viel Lobby und zu nah an den Eliten in Wirtschaft und Politik. Doch es gibt auch andere. Stefan Schurig zum Beispiel war neun Jahre lang Experte bei der Umweltorganisation Greenpeace. Jetzt ist er Klima- und Energiespezialist im WFC. Viele NGOs seien gut darin, Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, sagt er. "Aber dann kommt der Flaschenhals. Dann passiert nichts mehr."

Dem WFC gehe es nun genau darum, diesen Flaschenhals zu weiten. "Wir müssen die Konzepte nicht neu entwickeln", sagt Schurig. Für viele Probleme gebe es längst eine Lösung, meist im Kleinen, in einer Gemeinde, einer Region, einem Land. "Die muss man verbreiten."

Argumente liefern

Eine solche Lösung ist das deutsche EEG, das Erneuerbare Energiengesetz: Wer Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind, Wasser oder Geothermie gewinnt und ins Stromnetz einspeist, wird mit einem festen Satz vergütet, der sich an den Erzeugungskosten orientiert. Es bietet also eine Anschubfinanzierung für Sonne-, Wind- und Wasser-Anlagen, die zunächst nicht mit den Preisen der fossilen Energiewirtschaft mithalten können. Und weil jeder solare oder Windkraftanlagen aufstellen kann, führt es auch zu einer Dezentralisierung der Energieversorgung. "Die Energiewirtschaft der großen Konzerne, wie wir sie kennen, gehört der Vergangenheit an", sagt Schurig. Das Beispiel Deutschland zeige, dass man davor keine Angst haben muss: Das EEG schafft auch Arbeit. Schon 2006 hat die Branche 235000 Menschen beschäftigt, rund 75000 mehr als 2004. Mindestens 134000 Arbeitsplätze sollen direkt auf das EEG zurückzuführen sein.

Der WFC ist nun dabei, die Idee der Energieeinspeisung bekannter zu machen. Mit Scheers Buchbeitrag, mit Schurig, der gerade in den USA war, bei Anhörungen vor den nationalen Parlamenten in Bali und Nairobi.

"Und danach greift der dritte Schritt", sagt Schurig. Dann geht es an die Umsetzung. Die überzeugten Parlamentarier brauchen Argumente für die Diskussion, Erfahrungsberichte aus anderen Ländern, sie müssen wissen, wie sie die Gesetzesvorlagen formulieren. Das sollen sie künftig auf einer eigenen Internetseite abfragen können.

"Wenn man also eine Weile vom WFC nichts hört, heißt das nicht, dass nichts passiert", sagt Schurig. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen, sei aber "nicht unbedingt unser Kerngeschäft. Wir arbeiten explizit an der Umsetzung von Lösungen".

Herbert Girardet (Hg.): Zukunft ist möglich. Wege aus dem Klimachaos. EVA, Hamburg 2007, 22 €

Der Weltzukunftsrat

Der Weltzukunftsrat entstand 2004 auf Jakob von Uexkülls Initiative. Der Deutsch-Schwede hatte sich zuvor bereits mit der Gründung der Stiftung Right Livelihood Award einen Namen gemacht. Diese vergibt seit 1985 alljährlich den so genannten Alternativen Nobelpreis an Menschen und Projekte, die sich für Umweltschutz, Menschenrechte, Friedensforschung und Armutsbekämpfung einsetzen. Eine der Trägerinnen wurde denn auch Vorstandsvorsitzende des Weltzukunftsrates: die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger. Ihre Stellvertreterin ist Beate Weber, die Heidelberg in ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin zur nachhaltigsten Stadt Europas machte. Die Zentrale des Rats befindet sich seit der Gründungsversammlung im November 2006 in Hamburg, von wo auch die fünf Millionen Euro Anschubfinanzierung kommen, mit denen der Rat bis 2010 arbeiten kann. Neben der Stadt Hamburg mit 2,5 Millionen Euro hat dazu vor allem der Unternehmer Michael Otto, der Ehrenratsmitglied ist, mit 1,5 Millionen Euro beigetragen. Der Rest stammt aus weiteren Spenden.

Der eigentliche Rat hat derzeit 49 Mitglieder aus 29 Ländern - die kürzlich verstorbene Body-Shop-Gründerin Anita Roddick war die Nummer 50. Aus Deutschland stammen neben Weber auch der Physiker und Philosoph Heinz Dürr, der eine Schlüsselfigur bei der Entwicklung einer ganzheitlichen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts ist, und der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer, die beide mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Ebenfalls dabei sind der ehemalige stellvertretende UN-Generalsekretär Hans-Christof von Sponnek, gebürtiger Bremer, der im Jahr 2000 aus Protest gegen die internationale Irak-Politik zurücktrat, und der Berliner Zukunftsforscher Rolf Kreibich.

Die vollständige Liste finden Sie im Internet unter: www.worldfuturecouncil.org/the_councillors.html

"Für viele Probleme gibt es längst eine Lösung, meist im Kleinen, in einer Gemeinde, einer Region, einem Land. Die muss man verbreiten."

Stefan Schurig, Klima- und Energiespezialist im WFC

Der Weltzukunftsrat

Der Weltzukunftsrat entstand 2004 auf Jakob von Uexkülls Initiative. Der Deutsch-Schwede hatte sich zuvor bereits mit der Gründung der Stiftung Right Livelihood Award einen Namen gemacht. Diese vergibt seit 1985 alljährlich den so genannten Alternativen Nobelpreis an Menschen und Projekte, die sich für Umweltschutz, Menschenrechte, Friedensforschung und Armutsbekämpfung einsetzen. Eine der Trägerinnen wurde denn auch Vorstandsvorsitzende des Weltzukunftsrates: die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger. Ihre Stellvertreterin ist Beate Weber, die Heidelberg in ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin zur nachhaltigsten Stadt Europas machte. Die Zentrale des Rats befindet sich seit der Gründungsversammlung im November 2006 in Hamburg, von wo auch die fünf Millionen Euro Anschubfinanzierung kommen, mit denen der Rat bis 2010 arbeiten kann. Neben der Stadt Hamburg mit 2,5 Millionen Euro hat dazu vor allem der Unternehmer Michael Otto, der Ehrenratsmitglied ist, mit 1,5 Millionen Euro beigetragen. Der Rest stammt aus weiteren Spenden.

Der eigentliche Rat hat derzeit 49 Mitglieder aus 29 Ländern - die kürzlich verstorbene Body-Shop-Gründerin Anita Roddick war die Nummer 50. Aus Deutschland stammen neben Weber auch der Physiker und Philosoph Heinz Dürr, der eine Schlüsselfigur bei der Entwicklung einer ganzheitlichen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts ist, und der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer, die beide mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Ebenfalls dabei sind der ehemalige stellvertretende UN-Generalsekretär Hans-Christof von Sponnek, gebürtiger Bremer, der im Jahr 2000 aus Protest gegen die internationale Irak-Politik zurücktrat, und der Berliner Zukunftsforscher Rolf Kreibich.

Die vollständige Liste finden Sie im Internet unter: www.worldfuturecouncil.org/the_councillors.html