Der Wert der Arbeit, globale Probleme im ganz normalen Alltag und Gewerkschaftsarbeit im Ortsverein Telekom Leipzig

Von Birgit Tragsdorf

Telekom-Betriebsräte Löffler (li) und Topel

Deutschlands Beschäftigte spüren es täglich und ziemlich deutlich: Die Wertschätzung ihrer Arbeit sinkt, der Druck wächst - Druck auf die Belegschaften in fast allen Branchen, auch dort, wo es gegenwärtig boomt. Vorgesetzte haben Zielvereinbarungen, die Stellenabbau und Einsparungen beinhalten. Firmen verkünden Rekordgewinne, die realen Einkommen der Arbeitnehmer/-innen sinken oder stagnieren. Die Börsen jubeln Kurse hoch, wenn Arbeitsplätze wegfallen. Keine verkehrte Welt, nur der ganz normale Kapitalismus.

Im vergangenen Jahr stiegen in den Chefetagen die Bezüge um etwa 17,5 Prozent. Zunehmend werden Arbeitsbereiche aus den Firmen ausgegliedert, die Tarife gehen nach unten. Zeitarbeit, Niedriglohn werden zur Normalität.

Da bildet die Telekom keine Ausnahme. Den Großkonzern, so wie er heute besteht, wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben. Da sind sich die beiden Leipziger Betriebsräte und ver.di-Ortsvereinsvorstände Karin Topel und Michael Löffler einig. Momentan verkauft die Telekom die aus ihrer Sicht nicht mehr rentablen Bereiche, schließt Niederlassungen, strukturiert ständig um, arbeitet an ihrer Zentralisierung, gliedert aus. Wo Telekom draufsteht, ist nicht mehr immer Telekom drin. Da sitzt schon mal am anderen Ende der Serviceleitung ein Kollege in Budapest. Oder die Arbeit vor Ort erledigen Kollegen, die längst schon mit ihrem Bereich ausgegliedert und selbstständig sind. Mit schlechterer Bezahlung und längerer Arbeitszeit. Die globalen Veränderungen und die Konkurrenz, egal wo, sind inzwischen für den einzelnen Mitarbeiter spürbar. Telekomchef René Obermann verkündet, um effizienter zu sein, würden bis Ende 2008 etwa 32000 Stellen abgebaut.

Und alles, was bei der Telekom passiert, trifft massiv den Osten. Das hat damit zu tun, dass es hier nur einen sehr geringen Anteil an Beamten gibt, aber dafür bundesweit die meisten Call-Center. Niederlassungen verschwinden aus unseren Bundesländern. Die Arbeit wird nun zentral, meist von Bonn aus getan. Ständig ändern sich Strukturen, Zuständigkeiten. Die Betroffenen verspüren zusätzlichen Druck, Unsicherheit. Das ist gewollt.

Ortsverein Telekom Leipzig

Der Leipziger ver.di-Ortsverein der Telekom ist beim Landesfachbereich angegliedert. Die 1500 Mitglieder kommen aus allen Unternehmensteilen, auch aus dem IT-Bereich. So bestimmen Fragen zur betrieblichen Interessenvertretung, Strukturveränderungen und die Konzernentwicklung einen Großteil der Arbeit im Ortsverein. Hierin unterscheidet sich ein Ortsverein der Telekom von anderen, die ihre Mitglieder von der ver.di-Ebene in allen Fachbereichen haben.

Der Vorstand, das sind 20 Leute mit seinem Vorsitzenden Michael Löffler, wirkt sehr aktiv in die einzelnen Unternehmensbereiche hinein. Der Ortsverein nutzt diese Strukturen, um als Gewerkschaft präsent zu sein. Durch die immer neuen Ausgliederungen und Verkäufe entstehen immer kleinere Betriebe. Auch zu ihnen gilt es, Kontakt zu halten und Interessenvertretungen für die Arbeitnehmer aufzubauen. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten in diesen Bereichen sind ver.di-Mitglieder. Auch das ist ein Spiegel des Engagements von Ortsverein und Betriebsrat. Unter ihrer Regie entwickelte sich im vergangenen Jahr der Streik bei der Telekom auch in Leipzig erfolgreich. Die zunächst angekündigten 40 Prozent Einkommensverlust konnten bis 2009 verhindert werden. Es wird neu verhandelt.

Karin Topel erzählt, dass in den letzten Jahren fast 1000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren haben, und sie betont, dass gerade die Frauen hier im Osten die Verliererinnen sind.

Verrückt ist es schon, wie durchschlagend sich das Gerangel auf den internationalen Märkten und an den Börsen auf die Arbeitsplätze konkret in Leipzig auswirkt. Kostendruck der Aktionäre und der Konkurrenz, Verluste im Festnetzbereich verändern den Arbeitsmarkt. Call-Center wurden verkauft, bei T-Systems werden Arbeitsplätze nach Indien verlagert. Bisher hat die Telekom im Zuge ihrer Kostenreduzierung etwa 40 Prozent bei den Personalkosten gespart. Und mit diesen Auswirkungen beschäftigt sich natürlich der Leipziger Ortsverein, denn seine Mitglieder sind davon betroffen.

Arbeit im Ausverkauf

Telekom VCS: Verkauf weiterer Call-Center an die Bertelsmann-Tochter Arvato. Allein in Sachsen sind 320 Jobs betroffen. Arvato ist nicht tarifgebunden und zahlt Einstiegsgehälter von nur 6,73 Euro.

Quelle AG: Schließung der Call- Center in Leipzig, Chemnitz und Essen -Entlassung von 560 Kolleg/innen. Trotz Krise Eröffnung von drei neuen Call-Centern in Berlin, Magdeburg und Cottbus, die nur über Subventionen und Niedriglöhne funktionieren.

Siemens AG: Verkauf der Telekommunikationssparte SEN. Über 600 Stellen am Standort Leipzig stehen ab 2011 zur Disposition.

Post AG: Tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsschutzregelungen will das Unternehmen nicht verlängern, dafür die Arbeitszeit erhöhen. So sind bundesweit mindestens 5000 Jobs in Gefahr.