Sparen heißt die oberste Devise in vielen deutschen Zeitungsverlagen. Qualität und Vielfalt geraten in Gefahr

Von STEFFEN GRIMBERG

Als am 11. Juni bei der Frankfurter Rundschau gestreikt wurde, ging es um die anstehende Ausgliederung von Teilen des Lay-Outs und der technischen Redaktion in eine eigene FR-Design GmbH. Doch die nur 32 statt 56 Seiten umfassende Bundesausgabe, die am Tag darauf erscheinen konnte, taugt auch darüber hinaus als Symbol für den Zustand vieler Qualitätszeitungen in Deutschland: Sie stehen seit Jahren unter Sparzwang, haben massiv Personal und Kosten abgebaut - und ernten trotzdem nur immer weiter steigenden Druck.

Dabei ist die FR seit 2001 längst von 1650 auf nur noch rund 650 Mitarbeiter/innen geschrumpft und hat schon vor einem guten Jahr den wohl kühnsten Schritt am deutschen Pressemarkt unternommen: Das Blatt selber ist mitgeschrumpft und erscheint seit Ende Mai 2007 nur noch halb so groß nach britischem Vorbild im so genannten Tabloid-Format. Für diese "Offensive 08" betitelte Sanierung plus Formatumstellung - Kostenrahmen rund 13 Millionen Euro - sollte es eigentlich Planungssicherheit bis Ende 2008 geben.

Tristesse im Anzeigengeschäft

Doch nun fürchtet ver.di, dass über den Weg der FR Design GmbH die Ausgliederung von Mitarbeitern und damit die Tarifflucht weiter gehen. Die FR bedient sich schon länger einer Leiharbeits-Tochter namens Pressedienst Frankfurt (PDF), in der zahlreiche FR-Journalisten arbeiten. Dass nun bislang beim Frankfurter Druck- und Verlagshaus fest angestellte Mitarbeiter in die neue GmbH umgesetzt werden sollen, sieht die Gewerkschaft als Bruch des "konstruktiven Dialogs", auf den sich die Geschäftsführung vor zwei Jahren verpflichtet hatte.

Damals hatte das Kölner Medienhaus M. DuMont-Schauberg (u.a. Kölner Stadt-Anzeiger, Express, Mitteldeutsche Zeitung) die finanziell schwer angeschlagene FR mehrheitlich von der SPD-Presseholding DDVG übernommen. FR-Chefredakteur Uwe Vorkötter macht aus der Tatsache, dass er einer redaktionellen Zweiklassengesellschaft vorsteht, keinen Hehl: "Ich kann nicht sagen, dass das nicht stimmt", sagte Vorkötter Mitte Juni der taz. Dennoch laufen in Frankfurt weiter Planspiele, künftig auch die Regionalredaktionen in eigene GmbHs auszugliedern. Denn die Formatumstellung brachte nur einen gemischten Erfolg: Die Auflage stieg nicht im erwarteten Maß, obwohl die FR seit Formatumstellung und redaktioneller Generalüberholung viel Branchenapplaus und Design-Preise bekommt. Auch beim bundesweiten Geschäft mit der Werbung sieht's trübe aus. Ausgenommen an Wochenenden findet sich in mancher Aus- gabe keine einzige überregionale Anzeige: Qualitätsjournalismus lockt hier anscheinend weder Leser noch Anzeigenkunden.

Schleichender Exodus der Redakteure

Viel besser hat sich dagegen auf den ersten Blick die Berliner Zeitung gemacht: Sie arbeitet trotz rückläufiger Auflagen wie der ganze Berliner Verlag nach Informationen des Konzernbetriebsrats profitabel, nachdem die Verluste vor sechs Jahren noch bei fast 12 Millionen Euro lagen. 2006 wurde ein Gewinn von 7,9 Millionen Euro ausgewiesen, auch das Geschäftsjahr 2007 verlief positiv. Doch der Berliner Verlag gehört wie die Netzeitung und die Hamburger Morgenpost zur Mecom-Holding unter Führung des britischen Medienunternehmers David Montgomery. Und der hat die Zusagen an seine Londoner Banken und Investoren bislang nicht einhalten können und steht nun selbst unter Druck: Für 2009 hat er seinen Mitfinanziers erstmals eine Dividende angekündigt, außerdem soll die Rendite endlich weiter in Richtung der 20 Prozent-Marke steigen, die Montgomery seinen langsam ungeduldig werdenden Kofinanziers versprochen hat.

Doch die Auflagen lassen sich nicht beliebig steigern, im Gegenteil: In den ersten drei Monaten hat die Berliner Zeitung im Vergleich zum Vorjahr über 10000 Abonnements verloren und verkauft aktuell noch knapp 172000 Exemplare am Tag. Nun müssen bei den deutschen Betrieben der Mecom-Gruppe 2008 rund fünf Millionen Euro zusätzlich zum ursprünglich beschlossenen Etat eingespart werden, dem "konzernweiten Sparprogramm" könnten zwischen 150 und 200 der insgesamt 930 Stellen bei den deutschen Mecom-Betrieben langfristig zum Opfer fallen, fürchten die Betriebsräte. Und seinen Redaktionsausschuss hat Berliner-Zeitung-Chefredakteur Josef Depenbrock, der in Personalunion auch noch Geschäftsführer des Verlags ist, schon mal wissen lassen, dass man "2009 sicherlich weniger Redakteursstellen haben werde als in diesem Jahr."

Für den Titel, der seit dem Amtsantritt des 46-Jährigen vor zwei Jahren an einem schleichenden Exodus von Redakteuren leidet, könnte es aber noch dicker kommen: Schon macht wieder der alte Depenbrock-Spruch die Runde, dass man ein Blatt wie die Berliner Zeitung statt mit wie bisher knapp 130 Journalisten auch gut mit 90 Redakteuren machen könne. Kein gutes Omen für Qualitätsjournalismus in der Hauptstadtregion.

Wer für die Entwicklung beim Berliner Verlag einen Finanzinvestor als gefräßige "Heuschrecke" verantwortlich macht, springt aber zu kurz, sagt Martin Dieckmann, Referent für Medienpolitik und Medienwirtschaft beim ver.di-Bundesvorstand. Montgomerys Vorgehen trage vielmehr lediglich "die Handschrift eines Unternehmens, das an der Börse ist," so Dieckmann. Durch die rein renditeorientierten Interessen der meist institutionellen Anleger wie Pensionsfonds komme es auf das Produkt Zeitung kaum an - und journalistische Qualität sei kein Wert mehr an sich, sondern nur da von Belang, wo sie zur Rendite entscheidend beiträgt. So komme es zu einer "immer weiteren Trennung von publizistischer und geschäftlicher Leitung", sagt Dieckmann - wobei als Konsequenz, wie in Berlin zu sehen, das nach deutscher Tradition bislang strickt davon getrennte Verlagsmanagement auf die Leitungsposten der Redaktion übergreift und nicht etwa umgekehrt.

Regionaler Einheitsbrei

Und auch bei den klassischen Regionalblättern, die mit knapp 20 Millionen Zeitungen täglich das Rückgrat der immer noch vielfältigen deutschen Presselandschaft bilden, stehen die Zeichen für die Redaktionen schlecht. Ein Blick in den Norden der Republik belegt: Auch hier geht es den Verlagen vorrangig um Synergien und Renditen und weniger um journalistische Qualität und Vielfalt. In Mecklenburg-Vorpommern haben sich die drei Titel Ostsee-Zeitung (Rostock), Schweriner Volkszeitung und der Nordkurier (Neubrandenburg) den größten Teil des Landes aufgeteilt. Nur wo sich deren Verbreitungsgebiete überlappen, gibt es noch Reste lokaler Konkurrenz.

Nun soll die Ostsee-Zeitung mittelfristig mit den Lübecker Nachrichten vereint werden. Das Rostocker Blatt gehört jeweils zur Hälfte der Axel Springer AG und den Lübecker Nachrichten, die selbst zu 49 Prozent in Springer-Besitz sind. Der gemeinsame überregionale Teil für beide Titel, der so genannte Mantel, kommt - und zwar ganz überwiegend - aus Lübeck. Ein im Juni abgeschlossener Tarifvertrag sieht immerhin gewisse Zugeständnisse in Sachen Standort- und Beschäftigungssicherung vor. Die Verlage beider Blätter sollen in den nächsten Jahren ganz fusionieren. Es gehe darum, "in Zeiten eines schwierigen Vertriebs- und Anzeigengeschäfts die regionalen Aktivitäten sinnvoll zu bündeln, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern", begründete Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner den Schritt. Und da schließlich in einer gemeinsamen Redaktion, mit Sitz in Lübeck, Journalisten beider Zeitungen arbeiten werden, sei die "regionale Identität und Verankerung" der Ostsee-Zeitung auch überhaupt "nicht beeinflusst."

Die häufig gepriesene Vielfalt der Presse wird jedoch endgültig zur Farce, wenn aus Angeboten, die ohnehin schon kaum im journalistischen Wettbewerb stehen, durch immer größere regionale Verbünde demnächst publizistischer Einheitsbrei zu werden droht. Dabei müsse gerade im Regionalen etwas für die Zukunftssicherung der Titel getan werden, fordert Martin Dieckmann: Wenn ein überregionales Blatt scheitere, gebe es für die Leser immerhin noch ein paar Alternativen. "Doch wenn eine regionale Zeitung vom Markt geht, gibt es kein Angebot, das diese Lücke füllt."