Die neue Weltwirtschaftskrise | Ohne Zweifel - der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman ist einer der besten Analysten, was die gegenwärtige Finanzkrise angeht. Und er schreibt so, dass ihn auch Laien verstehen können. Sein Buch ist zum Teil die Neuauflage eines Werks von 1999; die letzten Kapitel sind aber ganz frisch.

Kenntnisreich beschreibt Krugman die Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen 25 Jahre - von Lateinamerika über Asien bis zum vergangenen Oktober, als die Bush-Regierung ihr 700 Milliarden-Dollar Paket beschloss. Anhand des Beispiels einer Babysitting-Kooperative erklärt er einleuchtend und gut nachvollziehbar, über welche Stellschrauben Zentralbanken versuchen können, Finanzkrisen auszugleichen - und warum das Lehrbuchwissen in vielen Fällen trotzdem nicht geholfen hat. Panik und Irrationalität von Anlegern hat immer wieder auch relativ gut aufgestellte Volkswirtschaften zu Fall gebracht. Krugman macht deutlich, welch fatale Rolle der IWF in vielen Fällen gespielt hat und wie töricht und sozial ungerecht die jahrelang von Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern favorisierte Angebotspolitik ist.

"Keynes kehrt zurück" ist das letzte Kapitel überschrieben. Hier geht es darum, was die Politik nun tun sollte. Neben großen staatlichen Investitionsprogrammen fordert Krugman, alles zu regulieren, was in einer Finanzkrise gerettet werden muss, weil es sonst die übrige Wirtschaft mit in den Abgrund reißt. Hier hätte man gerne mehr und Konkreteres erfahren. Doch Krugman hat das Manuskript im vergangenen Oktober abgeschlossen. In bewegten Zeiten ist das schon ziemlich lange her.AJE

Paul Krugman, "Die neue Weltwirtschaftskrise", Campus Verlag, Frankfurt/Main, 237 S., 24,90 €, ISBN 978-3-593-38933-2


Unsere armen Kinder | Unaufgeregt zeigt Zeit-Autorin Ulrike Meyer-Timpe, wie Deutschland seine Zukunft verspielt. Dabei widmet sie sich skandalösen Zuständen unserer Gesellschaft: verhungerten, vernachlässigten, verwahrlosten Kindern, deren Schicksale uns erschüttern, wenn sie in die Schlagzeilen gelangen. Immer dann jämmerlich anschreien, wenn Kinder längst im Brunnen liegen - buchstäblich.

Meyer-Timpe aber macht bei den Schlagzeilen nicht halt. Für ihr 200 Seiten umfassendes Büchlein hat sie recherchiert, wie ein System von Gnadenlosigkeit und Ignoranz in seiner ganzen Konsequenz zu eben diesen Zuständen führt. Kinder armer Eltern, weist sie nach, haben kaum eine Chance, einmal ein besseres Leben zu führen als ihre Eltern. Weil den Eltern nicht geholfen wird. Weil frühkindliche Förderung kaum stattfindet. Weil das Schulsystem Fähigkeiten von Kindern nicht befördert, sondern eher behindert. Weil der Lehrstellenmangel Jugendliche, insbesondere Kinder aus Migrantenmilieus, in die Abgründe der Perspektivlosigkeit und schlimmstenfalls Gewalttätigkeit geleitet. Weil sich aus bedauernswerten, treu blickenden Kindern bedrohlich wirkende, glutäugige Jugendliche entwickeln.

Die Verantwortlichen macht Meyer-Timpe überall fest und konfrontiert sie mit den entsprechenden Forderungen. Eltern, Behörden, Lehrer, Nachbarn, Politiker, Wirtschaft. Freiwillig werden sie alle das Buch nicht lesen. Man wünscht es jedoch unter ihre Kopfkissen. Auf dass sie nicht mehr ruhig schlafen mögen.PE

Ulrike Meyer-Timpe: "Unsere armen Kinder - Wie Deutschland seine Zukunft verspielt", Pantheon Verlag, München, 208 Seiten, 12,95 Euro, ISBN 978-3-570-55081-6