Synergie im öffentlichen Dienst

Vier Bundesländer im Norden beauftragen externen IT-Dienstleister

Von HANS WILLE

Wenn im Frühjahr die Benachrichtigung zur Europawahl im Briefkasten steckt, ist das eigentlich eine Mogelpackung. Zumindest in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen firmiert als Absender das zuständige Einwohnermeldeamt - obwohl der Brief tatsächlich aus dem Haus Dataport kommt, dem externen Informationstechnik-Dienstleister der Länder. Auch wenn ein Polizist ein Knöllchen ausdrucken will, läuft der Druckbefehl über das Kommunikations- und Datennetz der Behörde bei Dataport auf.

Dataport kann mehr als nur Briefe drucken, vor allem berechnen die Rechner die Höhe der Auszahlungen oder Forderungen der Ämter wie Sozialhilfe, Steuern und Gehälter. Sogar die gesamte Abwicklung der Länderhaushalte obliegt der Rechnerkapazität von Dataport. Auch E-Government-Anwendungen, wie Gewerbe online anmelden, funktionieren dank der IT-Lösungen von Dataport.

Im Jahr 2004 haben die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein ihre beiden Datenzentralen unter dem Dach von Dataport verschmolzen. Der Grundgedanke: Synergieeffekte schaffen durch effizienten Einsatz der teuren IT-Mitarbeiter und IT-Infrastruktur. Bis dato hatten beide Bundesländer ihre eigenen Rechner, ihre eigene Software und ihre eigenen Spezialisten. Heute betreibt und wartet Dataport die Datennetze von beiden Bundesländern; die Rechner und auch die Software sind Eigentum von Dataport. Vorbild für die Fusion waren die Sparkassen, die einst 30 einzelne Datenzentralen betrieben hatten; heute reicht bundesweit eine einzige.

Durch die Fusion konnten beide Bundesländer ihre

Bürokratiekosten senken und zugleich die Verwaltung modernisieren. "Positive Skalenerträge" nennen das die Ökonomen. Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen mögen Kritiker vermuten. Tatsache ist, dass Dataport von den beteiligten Bundesländern alle Mitarbeiter der entsprechenden IT-Organisationseinheiten übernommen und, so versichert Dataport-Pressesprecher Holger Förster, bis heute keinen einzigen wegrationalisiert hat. Die Finanzbehörde Hamburg ergänzt, dass der Stadtstaat durch die Fusion nicht in erster Linie Geld gespart habe, sondern ohne Mehrkosten mehr Leistung bekommen habe. In der offiziellen Sprachregelung steht die Effizienzsteigerung im Mittelpunkt, nicht der Spareffekt.

Spannungsfeld: Dezentrale Versorgung bei zentralen Strukturen gewährleisten

Wenn etwa in der Hamburger Verwaltung ein neues Office-Paket installiert werden soll, dann macht das ein Mitarbeiter zentral für alle 25000 PCs, die Dataport für die Stadt Hamburg betreut. Früher hatte jedes Amt seinen eigenen Administrator, der mit der Installations-CD von Büro zu Büro ging. Derselbe Mensch eilte noch vor wenigen Jahren bei PC-Problemen in das entsprechende Büro. Heute unterhält Dataport ein Callcenter, von dem aus sich ein Spezialist online in den PC einloggt und das Problem vor den Augen des Mitarbeiters behebt, während die beiden telefonieren.

Was aber, wenn der Administrator das Problem nicht online klären kann, etwa weil der Drucker klemmt? "Wir befürchten, dass durch weitere Aufgabenverlagerungen zu Dataport die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bei Technikproblemen vor Ort zu kurz kommt", sagt Doris Hülsmeier vom Gesamtpersonalrat Bremen. Anfang 2007 trat auch der Zweistädtestaat Bremen dem IT-Dienstleister Dataport bei. Seitdem hat nicht mehr jede Behörde ihren IT-Feuerwehrmann vor Ort. Heute müssen manche Bremer Verwaltungsangestellten einen Administrator bei Dataport anfordern. Wenn der nicht schnell kommen kann, ist das ärgerlich, insbesondere wenn man eine Schlange von Bürgern vor sich hat, die verständlicherweise genervt sind. "Sehr schnelle Reaktionszeiten kann man natürlich mit Dataport vereinbaren", so Doris Hülsmeier, "aber das ist teuer. Ein Problem für die meisten Dienststellen, angesichts knapper Kassen. Insofern sehen wir mit der Aufgabe der dezentralen Betreuung einen Verlust an Flexibilität."

Inzwischen gehört auch die Steuerverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern zu Dataport. Das Land setzte bereits die Software EOSS ein, mit der es sein gesamtes Steueraufkommen berechnen konnte. Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein haben diese Software übernommen, und heute wickelt Dataport mit EOSS die Steuerverwaltung für alle vier Nordländer ab. "Das war schon eine Fusion verschiedener Unternehmenskulturen", erinnert sich Holger Förster von Dataport. Jedes Land hatte seine eigene Software und eigene Besonderheiten, die erst einmal unter einen Hut gebracht werden wollten.

"Wir hätten eine bremische Lösung für die Organisation bevorzugt", so die Bremer Gesamtpersonalrätin Doris Hülsmeier. "Wir sehen Probleme in dem Ausmaß an Zentralisierung." Insbesondere seien die Mitbestimmungsrechte bei Technikprozessen jetzt schwieriger zu realisieren als bei einem rein bremischen Ansprechpartner. Der Gesamtpersonalrat beteiligt sich immer sehr intensiv an der Auswahl und Gestaltung von Hard- und Software, um einen hohen Standard hinsichtlich Datenschutz und Ergonomie sicherzustellen. "Bei Dataport gibt es eine andere Kultur. Wir müssen jetzt längere Wege beschreiten, um unseren Einfluss sicherstellen zu können."

Dem entgegnet der Pressesprecher Förster: "Um effektiv arbeiten zu können, brauchen wir ein gewisses Maß an operativer Eigenständigkeit." Damit das gelingen kann, habe man die Organisationsstruktur einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) gewählt. Eine AöR übernimmt als organisatorisch eigenständige Einheit Aufgaben für die öffentliche Hand, ohne dass sie unkontrolliert eigene Ziele verfolgen kann. Dafür steht der Verwaltungsrat: Staatsräte aller vier Bundesländer leiten das höchste Aufsichtsgremium des IT-Dienstleisters und wachen darüber, dass sich Dataport nicht zu einem Staat im Staate mausern kann - wie man es etwa der privaten Bertelsmann-Stiftung vorwerfen könnte, die zunehmend Aufgaben akquiriert, die anderswo von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden.

An einer AöR dürfen private Investoren grundsätzlich nicht beteiligt werden. Dataport wirtschaftet wie eine private Firma - allerdings ohne einen privat haftenden Geschäftsführer. Falls das Unternehmen Pleite geht, müssen die Länder finanziell einspringen oder die Aufgaben wieder selber übernehmen.

Spannungsfeld: Kosten einsparen und Qualität sicherstellen

"Anfangs hatten wir durchaus Ängste, dass ein Privater reingeholt würde oder dass wir ganz verkauft würden", sagt Gerd Voss, ver.di-Vertrauensmann bei Dataport. Heute jedoch sei die Sorge verflogen. Insgesamt arbeiten an den vier verschiedenen Standorten rund 1600 Mitarbeiter, darunter 74 Nachwuchskräfte. Sie werden nach Haus-tarif bezahlt, der sich an den Tarifvertrag der Länder anlehnt. Eine leistungsorientierte Komponente gehört zur Bezahlung.

"Wir sollen etwas schlanker und etwas schneller arbeiten. Das klappt erstaunlich gut", sagt Gerd Voss, der von Anfang an bei Dataport in Hamburg arbeitet und zuvor als Beamter bei der Stadt Hamburg beschäftigt war. Nicht jeder operative Zwischenschritt werde mit den Behörden abgestimmt. Daher komme man bei Dataport schneller zu Entscheidungen. "Die Kollegen wollen nicht in den antiquierten Behördentopf geworfen werden."

Ob die schnelle und schlanke Lösung immer die gute ist, sei dahin gestellt. Immerhin hatte Dataport schon einen handfesten Datenskandal. Die rund 25000 Rechner in den unterschiedlichsten Hamburger Behörden sind via Dataport miteinander vernetzt. Dazu gehören auch die der Hamburger Datenschützer. Nach einigen Manipulationen konnten sie recht einfach von einem beliebigen Terminal auf die Datenbestände anderer Behörden zugreifen und damit auch auf sensible personenbezogene Daten. "Beim Aufbau des Behördennetzes wurde zu sehr auf Kostenersparnis geachtet", so der Vorwurf des Hamburger Datenschutzbeauftragten Hartmut Lubomierski. Doris Hülsmeier gibt zu bedenken, dass man mit einer sorgfältigen Abstimmung aller Beteiligten auch die Qualität verbessern kann. "Das kostet dann eben mehr Zeit", sagt die Gesamtpersonalrätin.