ANDREA KOCSIS ist stellvertretende Bundesvorsitzende von ver.di

ver.di PUBLIK | Die Deutsche Post begründet ihre jüngste Forderung nach Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich für rund 80000 Zustellerinnen und Zusteller mit der Finanzkrise und dem Rückgang im Briefversand. Greift das nicht in den bis 2010 laufenden Tarifvertrag der Post ein?

ANDREA KOCSIS | Es gibt einen geltenden Tarifvertrag zu den Entgelterhöhungen von vier Prozent im vergangenen und drei Prozent in diesem Jahr. Dessen Laufzeit endet zum 30. Juni 2010. Auch die Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche ist tarifvertraglich für die Postbeschäftigten festgeschrieben. Dieser Passus kann deshalb überhaupt erst zum 30. Juni 2010 von einer der beiden Tarifvertragsparteien gekündigt werden. Für die Beamtinnen und Beamten der Deutschen Post AG sind die 38,5 Stunden in der Post-Arbeitszeitverordnung sogar unbefristet festgeschrieben.

ver.di PUBLIK | Im vergangenen Herbst hat es massiven bundesweiten Protest von Postkunden gegeben, die tagelang auf ihre Geschäfts- und Privatpost warten mussten. In den Briefzentren kam man aufgrund der dünnen Personaldecke nicht mehr hinterher mit der Verteilung. Wird sich die Post mit ihrem Vorhaben trotzdem durchsetzen können?

KOCSIS | Da gibt es keinen Millimeter Spielraum. Es gibt überhaupt keinen Grund, in die laufenden Verträge einzugreifen.

ver.di PUBLIK | Versucht die Post möglicherweise, die Finanzkrise als Grund für weitere Sparmaßnahmen vorzuschieben?

KOCSIS | Die Post ist kein Sanierungsfall. Speziell im Briefbereich entbehrt die Schwarzmalerei gegenüber den Beschäftigten jeglicher Grundlage. Das Betriebsergebnis lag hier im ersten Quartal 2009 bei 407 Millionen Euro. Eine Krise ist das nicht. Sondern es wird in der Tat der Versuch unternommen, im Windschatten der Krise mit zu segeln. Das wird nicht funktionieren.

ver.di PUBLIK | Die Post möchte jetzt mit ver.di über die Tarifvereinbarung verhandeln, derzufolge bis 2011 gar keine betriebsbedingten Kündigungen möglich sind. Wie wird ver.di in diese Verhandlungen gehen?

KOCSIS | Dazu stehen gar keine Verhandlungen an. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen gilt aktuell bis zum 30. Juni 2011. Auch dieser Schutz der Beschäftigten ist in einem Tarifvertrag geregelt. Zu Entgelt, Arbeitszeit und Kündigungsschutz haben wir nach heftigen Auseinandersetzungen im Frühjahr 2008 eine Einigung erzielt. Der Postvorstand ist deshalb gut beraten, zu einer verlässlichen Unternehmenspolitik zurückzukehren.