Kita-Streiks nicht gegen Eltern

Streiks werden im September ausgedehnt. Beteiligung in der Region sehr hoch

von Bernd Riexinger

Gemeinsame Demonstration mit Schülern und Studenten

Seit Anfang Mai währt nun schon der Konflikt in den Sozial- und Erziehungsdiensten und ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Die Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen wollen nicht länger hinnehmen, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen unverhältnismäßig schlecht bezahlt wird. Sie kämpfen für eine bessere Eingruppierung im Tarifvertrag. Sie wehren sich dagegen, dass die Arbeitgeber die Bezahlung in den letzten Jahren sogar noch verschlechtert haben. Außerdem kämpfen die Beschäftigten für einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz. Die Belastung durch Lärm, Personalmangel, Stress und höhere Anforderungen ist in den betroffenen Berufen außerordentlich hoch.

Die Streikbeteiligung in der Region Stuttgart ist richtig gut. Nicht nur in der Landeshauptstadt sind regelmäßig an jedem Streiktag 90 bis 120 Einrichtungen geschlossen, auch in den Landkreisen Böblingen, Rems-Murr und Ludwigsburg können wir von Anfang an eine sehr hohe Beteiligung feststellen.

Mit der hohen Streikbeteiligung können viele Bürgermeister nicht umgehen und versuchen, ihre Beschäftigten zu verunsichern oder gar unter Druck zu setzen. So strich der Bürgermeister von Urbach im Rems-Murr-Kreis die Beteiligung am Betriebsausflug. Doch der Schuss ging nach hinten los. Die Erzieher/innen ließen sich davon nicht beeindrucken und müssen jetzt den Betriebsausflug an einem anderen Tag bezahlt bekommen. Sylvia Nosko, zuständige Bezirkssekretärin: "Viele Bürgermeister müssen lernen, dass ihre Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen ihr grundgesetzlich verbrieftes Streikrecht wahrnehmen und für ihre Interessen auf die Straße gehen."

Neu ist, dass auch die Beschäftigten in den Landkreisen nicht nur einen oder zwei Tage streiken, sondern dabei bleiben und bereit sind, so lange zu kämpfen, bis es ein für sie zufriedenstellendes Ergebnis gibt. Cuno Hägele, zuständiger Bezirkssekretär im ver.di-Bezirk Stuttgart: "Dass sowohl im Jugendamt der Stadt die Streikbeteiligung unverändert hoch ist als auch in den Landkreisen, stärkt unsere Position ungemein."

15 000 beim Bildungsstreik

Ein vorläufiger Höhepunkt war der Bildungsstreik am 17. Juni in Stuttgart. Gemeinsam demonstrierten 12 500 Student/innen und Schüler/innen mit 2 500 Beschäftigten aus den Sozial- und Erziehungsdiensten für eine bessere Bildung. Bereits am 10. Juni streikten 1 000 Beschäftigte des Einzelhandels aus ganz Baden-Württemberg und demonstrierten ebenfalls zusammen mit den Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen in der Stuttgarter Innenstadt. Wichtige Gemeinsamkeit der Branchen: Beide sind mehrheitlich durch Frauen geprägt und in beiden wird sehr schlecht bezahlt.

Auch nach der 10. Streikwoche sind die Streikenden entschlossen, weiter zu machen. Im Juli wird jeden Freitag gestreikt und im September soll es richtig zur Sache gehen, wenn die Arbeitgeber nicht vorher einlenken.

Und die Eltern?

Die meisten Eltern unterstützen die Forderungen der Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsberufen. Bei der Bewertung der Streiks scheiden sich jedoch die Geister. Viele Eltern akzeptieren, dass die Erzieher/innen auf diesem Wege ihre Interessen durchsetzen wollen. Es gibt jedoch einen Teil der Eltern, die grundsätzlich gegen Streiks sind und der Gewerkschaft vorwerfen, dass auf dem Rücken der Eltern und Kinder gestreikt wird. Cuno Hägele: "Wir streiken nicht gegen die Eltern und auch nicht gegen die Kinder, aber die Erzieher/innen können nur die Arbeit nieder legen, die sie leisten. Eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen der Erzieher/innen nützen auch den Eltern. Wir treten massiv für eine bessere Bewertung der Arbeit in Erziehungs- und Sozialberufen ein und wir streiken auch für eine bessere Qualität der Betreuung von Kindern und Jugendlichen."