Großputz im Bundestag

Ende August haben die Gewerkschaften ver.di und Nahrung-Genuss-Gaststätten einen Dumpinglohn-Melder im Internet eingerichtet. Schon vier Tage später waren knapp 500 Berichte aus der ganzen Republik eingegangen, bei Redaktionsschluss von ver.di PUBLIK waren es bereits mehr als 1 500. Da schreiben Mütter und Väter, dass sie ihren Kindern kaum etwas bieten können, obwohl sie hart arbeiten. Es sind Berichte von zu langen Arbeitszeiten zu einem Lohn, der hinten und vorn nicht reicht. 6,5 Millionen arbeiten unter solchen Bedingungen: Deutschland einen Monat vor der Bundestagswahl 2009. Die meisten betroffenen Kolleginnen und Kollegen bitten darum, nicht namentlich zitiert zu werden. "Weil ich dann vielleicht auch noch diesen schlecht bezahlten Job los werde", heißt es da. Wir haben daher alle Namen unter den folgenden Berichten geändert. Weitere Berichte erwartet ver.di unter www.dumpinglohn.de


"Selbst mit zwei Nachtschichten im Monat haben meine Familie und ich Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Wir können uns kein Auto leisten oder andere größere Ausgaben wie Familienurlaub. Mein Fazit: Wer eine 40-Stunden-Woche im Drei-Schicht-System arbeitet, sollte doch sich und seine Familie von diesem Job ernähren können und nicht mit weniger als 1 000 Euro nach Hause kommen! Also ich bin für den Mindestlohn." Robert P., 31 Jahre, Leiharbeiter (derzeit Produktionshelfer) verheiratet, zwei Kinder, Brutto-Stundenlohn 6,62 Euro, Aufstocker nach Hartz IV.


"Meine Arbeits- und Lebenssituation ist sehr bescheiden, weil mein Lohn bei weitem nicht ausreicht, meine Familie ordentlich zu versorgen." Reiner R., 43 Jahre, Lagerarbeiter im Speditionswesen, verheiratet, zwei Kinder, Brutto-Stundenlohn 6,46 Euro.


"Gerade heute ist wieder so ein Tag, an dem nur wir zwei Aushilfen da sind. Wir hatten Ware da zum Einräumen, weil sie für den Folgetag beworben ist. Durch die minimale Besetzung ist es selbst schwierig, mal die Toilette aufzusuchen. Das alles für 6,82 Euro - und ich muss noch Fahrgeld zahlen. Eigentlich macht mir die Arbeit unter ,normalen' Umständen Spaß." Roswitha R., 43 Jahre, Aushilfsverkäuferin, Brutto-Stundenlohn 6,82 Euro, Aufstockerin.


"Unregelmäßige Schichtarbeit, kein Urlaub möglich, trotz Vollzeitjob kein Anlegen von finanziellen Reserven möglich. Stetig steigende Kosten zur Gesundheits- und Altersvorsorge kaum finanzierbar." Peter L., 48 Jahre, Sicherheitsdienst im Bewachungsgewerbe, verheiratet, drei Kinder, Brutto-Stundenlohn 5,10 Euro.


"Es wird nur im Spätdienst bis ca. 24 Uhr gearbeitet. Ohne Schichtzuschläge. Damit habe ich keine Teilhabe am kulturellen Leben. Kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, im Urlaub gibt es noch weniger Lohn." Sabine W., 45 Jahre, Frankierservice Briefdienste, ledig, Brutto-Stundenlohn 5,80 Euro, Aufstockerin Hartz IV.


"Da ich noch zu Hause wohne, brauche ich keine staatliche Förderung. Mit dem Gehalt könnte ich mir aber auch keine eigene Wohnung leisten." Kerstin M., 25 Jahre, Verkäuferin, ledig, Brutto-Stundenlohn 5,45 Euro.


"Täglich zwischen zehn und elf Stunden Arbeit für 800 Euro netto. Keinerlei finanzielle Absicherung fürs Alter, da aufgrund des geringen Verdienstes nicht möglich. Kultur und Urlaubsplanung auch nicht möglich. Muss demnächst meinen Busberechtigungsschein verlängern, was ca. 400 Euro kostet. Weiß nur noch nicht wie, da keinerlei Rücklagen vorhanden sind." Roland P., 59 Jahre, Busfahrer, verheiratet, Brutto-Stundenlohn 5 Euro, wird von Verwandten unterstützt.


"Ich lebe bei meinen Kindern im Haus, zahle Miete und Nebenkosten. Netto habe ich 740 Euro, wovon mir nach Abzug meiner monatlichen Verbindlichkeiten ganze 70 Euro zum Leben übrig bleiben. Das ist unhaltbar und einfach nicht lebenswürdig. Ich wäre für die Einführung eines Mindestlohns. Wie viele Menschen sollen so weiterleben?" Regina F., Wäschereiarbeiterin, ledig, drei Kinder, Brutto-Stundenlohn 7,13 Euro, wird von ihren Kindern unterstützt.


"Ich gehe von dienstags bis samstags vier bis sieben Stunden arbeiten und kann von meinem Einkommen nicht einmal die Miete für unsere Wohnung zahlen." Uwe B., 41 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, Briefzusteller, Brutto-Stundenlohn 5,11 Euro.