Näherinnen in Peru fertigen T-Shirts auch für den europäischen Markt

In vielen Entwicklungsländern hat die Wirtschaftskrise den Arbeitsmarkt längst mit voller Wucht erreicht. 40 bis 60 Millionen Menschen haben nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO schon ihren Job verloren. Wahrscheinlich sind es allerdings noch weitaus mehr: Denn der überwiegende Teil der Menschen schuftet ohne Arbeitsvertrag. "Informationen über die sozial ungeschützte Arbeit in der informellen Wirtschaft sind rar", sagt Ingeborg Wick vom Südwind-Institut. Sie hat Anfang November eine Studie zu dem Thema vorgestellt. Dabei wird deutlich: Es sind vor allem Frauen, die sich völlig ohne soziale Absicherung durchschlagen müssen.

Nicht nur Müllsammlerinnen und Marktverkäuferinnen zählen dazu. Auch der überwiegende Teil der Menschen in der Textil- und Bekleidungsbranche arbeitet heute informell. Die ILO schätzt, dass es inzwischen neben den 30 Millionen Beschäftigten in den Nähfabriken etwa fünf- bis zehnmal so viele Frauen gibt, die ohne Anstellungsverhältnis Kleidungsstücke produzieren.

Zum Beispiel Maria Torero Avalos. Die Peruanerin verziert in ihrem schlecht beleuchteten Wohnzimmer Jacken, T-Shirts und Taschen mit Perlen und Pailletten, für jedes Stück bekommt sie zwischen fünf Cent und einem Euro. Im Alter von 48 Jahren hat sie keinerlei Chance, noch in einer Fabrik unterzukommen, wo sie zumindest den Mindestlohn von monatlich 120 Euro verdienen würde - ein Einkommen, von dem sie nur träumen kann. Wo die Menschen sitzen, die die Sachen später einmal tragen werden, weiß sie nicht: Ein Zwischenhändler bringt ihr die Rohlinge vorbei, mal viele, mal wenige - nie erfährt sie das im Voraus. Auch der Lieferant ist nur ein kleines Glied in der langen Produktionskette und hat keine Ahnung, welche große Firma hinter dem Auftrag für seine Werkstatt steckt.

Waren beispielsweise in Indien bis in die 1990er Jahre 70 Prozent der Menschen informell beschäftigt, so sind es heute 90 Prozent. Bereits vor über 30 Jahren haben sich dort informell arbeitende Frauen zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen. Inzwischen hat die SEWA 1,1 Millionen Mitglieder. Obwohl die dort organisierten Frauen keinen offiziellen Arbeitgeber haben und auch nicht streiken können, hat der internationale Gewerkschaftsbund sie mittlerweile nach vielen Jahren der Ignoranz anerkannt.

Paradies für Unternehmer

"Ein Schlüsselelement zur weltweiten Ausbreitung ungeschützter Beschäftigung war in den letzten Jahrzehnten die Errichtung von Freien Exportzonen, FEZ", sagt Ingeborg Wick. In 130 Staaten gibt es heute solche Gebiete, in denen die Arbeitsrechte des entsprechenden Landes nur eingeschränkt oder gar nicht gelten. Dort herrschen aus Sicht von Unternehmern paradiesische Zustände, oft bekommen sie Bauland geschenkt und kostenlos Wasser und Strom geliefert. Nicht selten müssen sie nicht einmal Steuern zahlen.

Es war vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF), der seit den 80er Jahren viele Entwicklungsländer zum Ausbau solcher Zonen drängte. Auf diese Weise sollten sie Devisen erwirtschaften und damit ihre Schulden zurückzahlen können. Viele Regierungen verbanden damit auch die Hoffnung, dass von den international ausgerichteten Firmen positive Impulse für ihr Land ausgehen würden. Doch tatsächlich war das in den meisten Fällen eine Illusion. "Weder kam es zu größeren Lieferaufträgen für lokale Unternehmen, noch hat die fortgeschrittene FEZ-Technologie auf die lokale Wirtschaft übergegriffen", heißt es in der Südwind-Studie. Auch für eine bessere Ausbildung der Arbeitskräfte gibt es kaum Belege. Profitiert haben fast ausschließlich die multinationalen Unternehmen, die die Gewinne oft ungeschmälert in ihre Heimatländer mitnehmen dürfen.

Verschärfte Konkurrenz

Mit dem Ende des Welttextilabkommens, das Lieferquoten für einzelne Länder garantiert hatte, hat sich die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt seit 2005 noch einmal verschärft. Bangladesch, die Philippinen, Indonesien und Kolumbien reagierten mit einem weiteren Abbau der Arbeitsschutzrechte. Zugleich sind noch mehr FEZ entstanden. 3500 solcher Zonen gibt es inzwischen weltweit. "Die Exportorientierung beschleunigt den Zugang von Frauen zu Jobs, aber sie schleudert sie je nach Marktbedingungen auch wie durch eine Drehtür wieder hinaus", fasst die Soziologin Christa Wichterich zusammen, von der gerade ein Buch über Frauenrechte in der Globalisierung erschienen ist. In den Fabriken finden nur junge, körperlich voll belastbare Frauen eine Stelle, und sobald die Produktion anderswo auf der Welt billiger ist, wird sie eben dorthin verlagert - und die Arbeiterinnen stehen auf der Straße.

Literatur

Die Studie Frauenarbeit im Schatten, die das Südwind-Institut und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) herausgegeben haben, kann heruntergeladen werden unter www.suedwind-institut.de

Christa Wichterich: Gleich, gleicher, ungleich, Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung, Ulrike-Helmer-Verlag, Sulzbach/Taunus, 2009, 240 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3897412897