Angezählt: Den Schlecker-Beschäftigten gelingt es immer wieder, die Missstände in ihrem Unternehmen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken

VON Petra Welzel

"Ich muss die Arschbacken zusammenkneifen und da durch." Jana Leuthold, 30, seit zwölf Jahren im Dienste von Anton Schlecker, zurzeit als Verkaufsstellenverwalterin in Pommelsbrunn/Bayern, wehrt sich gegen ihre fristlose Kündigung. Sie wehrt sich gegen ihren Rauswurf seit 2006, seit sie auf Schleckers eigener Liste zur Betriebsrätin gewählt wurde. Schlecker wollte nicht wirklich einen Betriebsrat, sondern nur die ver.di-Frauen ausbooten. Aber mit Jana Leuthold, die er 2003 noch mit einem Orden für ihre gute Arbeit ausgezeichnet hatte, ging die Rechnung nicht auf: "Ich wollte was bewegen. Ich hatte eine Meinung, und die wollte ich kundtun." Schleckers Antwort: elf Abmahnungen, im Oktober 2009 dann die fristlose Kündigung. Dreimal weigert sich der Betriebsrat ihr zuzustimmen, am 11. Mai wollte sich Schlecker die Zustimmung beim Arbeitsgericht Nürnberg holen und scheiterte vorläufig.

"Mit Anton Schlecker ist das wie mit dem Gesang der Wale. Man weiß einfach nicht, warum die singen, und bei Schlecker weiß man nie, wo er aufschlägt und wen er sich ausguckt", sagt Manfred Wages, der zuständige ver.di-Sekretär aus Nürnberg. Gewiss sei nur, wo er hinkomme, hinterlasse er einen Scherbenhaufen. Jana Leuthold ist sich deshalb sicher: "Es geht nicht um mich, es geht darum, Betriebsräte zu zerschlagen."

Ganz anders präsentiert sich Schlecker zurzeit in den Verhandlungen mit ver.di über einen Beschäftigungssicherungs- und einen Sozialtarifvertrag für die rund 41 000 Schlecker-Beschäftigten. "Wir haben uns in der Tat aufeinander zu bewegt", sagt Achim Neumann, der für ver.di den Schlecker-Konzern betreut, über die Runde vom 5. Mai. Eine Einigung am 27./28. Mai, wenn weiter verhandelt wird, sei möglich. "Aber Achtung", sagt Neumann, "wir haben es mit Schlecker zu tun." Das Ergebnis könne Ende Mai auch ganz anders aussehen. Andererseits glaubt er: "Ohne die Beschäftigten und die Gewerkschaft kommt Schlecker aus den Negativschlagzeilen nicht mehr raus. Das haben die gemerkt."

Schlagzeilen hat auch Helga Bandow, 58, gemacht. 22 Jahre lang ist sie tagaus, tagein mit ihrem Fahrrad zur Schlecker-Filiale im hessischen Gladenbach geradelt. Am 15. April war erstmal Schluss. Ihre AS-Schlecker-Filiale, die sie mit drei Kolleginnen in Ein-Frau-Schichten betrieben hatte, wurde geschlossen.

Schwarzes Schaf unter vielen

Am 21. Mai soll dort eine neue, größere und schickere Schlecker XL-Filiale öffnen. Nur: Helga Bandow und ihre Kolleginnen sollen dort nicht arbeiten. Ihnen wurden mit der Schließung ihres Ladens neue Verträge für andere AS-Geschäftsstellen vorgelegt. Nach 22 Jahren Betriebszugehörigkeit und eigentlich unkündbar unterschrieb Helga Bandow in ihrer Not. Und das bedeutete: 150 Euro weniger für ihre 17-Stunden-Teilzeitstelle. Die Vollzeitkraft unter ihnen verzichtete auf 400 Euro. "Das war schmerzlich."

Inzwischen wird die Angelegenheit für Anton Schlecker schmerzlich. In einem Eilverfahren verurteilte das Marburger Arbeitsgericht den Discounter-König unter den Drogisten auf Wiedereinstellung der vier Frauen zu den alten Bedingungen in der neuen XL-Filiale am selben Ort. Der Richter betonte, Schlecker sei nur ein "schwarzes Schaf" unter vielen Arbeitgebern. Mit Ausgründungen wie bei Schlecker mit XL senkten sie die Löhne. Tendenz: immer mehr.