Gerichtsvollzieherin bin ich seit circa 30 Jahren. Ich arbeite in der Nürnberger Südstadt, vollstrecke für private Gläubiger, bei denen es oft um Handykosten, Versicherungsbeiträge, Bestellungen bei Versandhäusern und Unterhalt geht, aber auch für Behörden wie die Stadt oder die GEZ. Ich führe auch Zwangsräumungen durch oder führe Zeugen bei Gericht vor.

Ich bin meist im Außendienst, habe aber auch viele Verwaltungsaufgaben. Gegen halb acht komme ich ins Büro und erledige erstmal liegengebliebene Arbeiten vom Vortag, verbuche zum Beispiel Zahlungen. Um halb neun beginnt die Sprechzeit. Gläubiger und Schuldner können mich dann am besten erreichen. Manche Schuldner sind beim ersten Kontakt recht aufgeregt. Aggressiv werden die Leute aber nur ganz selten.

Meine Außentermine erledige ich mit dem Fahrrad. So treffe ich auch mal Schuldner auf der Straße, allerdings red' ich die Leute nicht von mir aus an. Einen Teil meiner Kunden kenne ich schon jahrelang. Viele haben wirklich kein Geld, und ich habe den Eindruck, das werden immer mehr. Es liegt meist nicht daran, dass sie nicht mit Geld umgehen können. Ich weiß auch nicht, ob ich zurechtkäme, wenn ich von 350 Euro im Monat leben müsste und die Waschmaschine geht kaputt. Manche Schicksale berühren mich. Wenn aber jemand wegen unsinniger Sachen Schulden macht, etwa Handykosten von mehreren tausend Euro hat, kann ich schimpfen wie ein Rohrspatz. Viele fordere ich auch auf, sich Hilfe zu holen, zum Beispiel bei der Schuldnerberatung. Manche Jugendlichen sagen dann: "Ja, Mama!"

Mit ver.di Bayern wehren wir uns zurzeit gegen das geplante Gesetz zur Beleihung der Gerichtsvollzieher. Ich nenne es Privatisierung. Unsere Arbeit soll nicht mehr von Beamten getan werden, sondern von Freiberuflern, die auf eigene Rechnung arbeiten. Wir wären auf Aufträge angewiesen und fürchten, dadurch die Unabhängigkeit gegenüber Gläubigern und Schuldnern zu verlieren. 374 bayerische Kolleg/innen haben die Resolution gegen die Reform schon unterschrieben.

Protokoll: Jenny Mansch