Statt selbstbewusst die Talente im eigenen Haus zu fördern, mischt die ARD mit viel Geld beim Promi-Karussel mit. Auf der Strecke bleiben neue Inhalte und jede Menge Gebühren

Wenn es um Talkshows geht, sitzen Sie bei der ARD in der ersten Reihe. Und sehen immer das Gleiche

Von Steffen Grimberg

Günther Jauch wirft bei der ARD seine Schatten voraus: Im Herbst kehrt der bislang beim Privatsender RTL beheimatete Moderator und Quizmaster wieder ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zurück. Der beste Sendeplatz für eine politische Talkshow, sonntags abends gleich nach dem Tatort, ist für Jauch reserviert. Für den "Top-Journalisten" (WDR-Rundfunkratschefin Ruth Hieronymi) wurde die bislang dort beheimatete Anne Will mit ihrer gleichnamigen Sendung auf den späten Donnerstagabend abgeschoben. Das Konzept von Anne Will soll aber beibehalten werden.

Damit steigt die Zahl der politischen Talks im Ersten auf rekordverdächtige fünf Formate, den guten alten Presseclub noch nicht einmal mitgerechnet. Und selbst der ARD scheint es langsam mulmig zu werden. Anlass dazu gibt es genug: Ende Februar wurde die politische Agenda tagelang vom Bundesaußenminister und Dissertationskünstler Karl Theodor zu Guttenberg dominiert. Und schon bei den vorhandenen Talkformaten zeigte sich, wie einfältig ARD-Vielfalt sein kann: Bei Anne Will am Sonntag lautete das Thema "Doktor Guttenberg - alles nur geklaut?", Menschen bei Maischberger setzte am Dienstag mit "Der Schummelbaron - Frechheit siegt?" nach; am Tag darauf fragte in Hart aber Fair Frank Plasberg "Der Fall des Superstars - wer glaubt noch Politikern", und weil es in der Vorwoche keinen Presseclub gegeben hatte, diskutierte auch der nochmal über den "Fehlherrn zu Guttenberg - Wie ein Ruf ruiniert wird". Dass künftig natürlich auch Jauchs Sendung an einem solchen Top-Thema nicht vorbei kommt, versteht sich von selbst.

Der Preis ist heiß

Um völligen Gleichklang und noch mehr Gezerre um begehrte Talk-Gäste wenigstens in kontrollierte Bahnen zu lenken, macht ARD-Programmdirektor Volker Herres jetzt ernst. Angekündigt hatte er das Projekt schon Ende 2010, nun soll laut Spiegel eine ARD-weite Datenbank, auf die die Redaktionen aller betroffenen Sendungen zugreifen können, Themen- und Gästechaos verhindern. Bei Konflikten darf ARD-Chefredakteur Thomas Baumann vermitteln - und muss im Zweifelsfall entscheiden.

Proteste wegen des Talk-Überangebots bügelt die ARD dabei souverän weg: Monika Piel, Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und seit Januar ARD-Vorsitzende, war maßgeblich an der Rückkehr des verlorenen Sohnes Jauch ins weite Reich der ARD beteiligt. Angst vor einem "Overkill" in Sachen Polittalk hat Piel nicht: Schließlich sehe das Publikum "die vier Talks, die schon heute laufen, sehr gerne - Akzeptanz und Quote steigen" - und mit Günther Jauch komme "jetzt ein sehr attraktives Angebot dazu". Auch der ARD-Programmdirektor besteht darauf, alles richtig zumachen: "Das Konzept wird Erfolg haben", sagte Volker Herres bei einer Veranstaltung des Grimme-Instituts, schließlich seien "diese Sendungen alle ganz unterschiedlicher Natur" und Das Erste nun einmal ein "Programm für ein Millionenpublikum".

Doch die Skepsis bleibt. Da ist zunächst einmal der Preis: Die Kosten für den neuen Sonntagabend-Talk liegen nämlich um Einiges höher als bei der für Jauch abservierten Anne Will. Intern heißt es bei der ARD, Jauch bekomme aber nur knapp mehr als das, was früher bereits Sabine Christiansen für die Sendung bekam. Die Bild-Zeitung zitierte aus einem Schreiben des WDR-Verwaltungsrats, wonach die erste Staffel mit 39 Sendungen inklusive Produktion durch Jauchs Firma Information & Unterhaltung (I&U) mit 10,5 Millionen Euro zu Buche schlage - macht knapp 4500 Euro pro Sendeminute. Das wäre um rund ein Drittel teurer als Anne Will. Offiziell werden diese Zahlen von der ARD nicht bestätigt, aber sie dürften stimmen. Und Will hört ja nicht etwa auf, sondern macht am Donnerstagabend weiter - ihr zum schlechteren Sendeplatz auch noch weniger als bisher anzubieten, wäre so gar nicht ARD-like.

Gerangel am Thementeich

Auch wie sich die Koordination von Sendungsthemen und -gästen in der Praxis bewähren wird, ist völlig unklar. Denn bis auf den als Journalistenrunde etablierten Presseclub fischen alle anderen Talks im selben Teich. Und sind dabei von der ARD ziemlich unabhängig: Die Redaktionen von Anne Will bis Menschen bei Maischberger sind wie ihre Moderatoren nur noch freie Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die komplette Sendungen sozusagen schlüsselfertig produzieren. Frank Plasberg war der letzte, der als Hart aber Fair-Frontmann eine Festanstellung beim WDR gegen das lukrativere Geschäft als freier Moderator und Produzent eintauschte.

Die Heimkehr von Günther Jauch - der 54-Jährige hatte seine Karriere in den 80er Jahren als Radiomoderator zusammen mit Thomas Gottschalk beim Bayerischen Rundfunk begonnen - wirft aber noch andere Fragen auf. Denn die ARD bekommt gewissermaßen ja nur die "bessere Hälfte" von Jauch, der dem Privatsender RTL unter anderem als Moderator von Wer wird Millionär erhalten bleibt. Proteste aus ARD-Gremien, die eine solche halbe Lösung zunächst kritisiert hatten, sind mittlerweile wieder verstummt. Den "ganzen" Jauch könnte sich die ARD vermutlich auch finanziell gar nicht leisten. Und außerdem hat der Moderator vereinbarungsgemäß die einzige RTL-Sendung, bei der auch nur ein Hauch von Verwechslungsgefahr bestand, abgegeben: Stern TV moderiert seit dem 12. Januar Steffen Hallaschka.

Der 40-Jährige wurde seit langem in der ARD als hoffnungsvoller Nachwuchs herumgereicht, den man aber nirgendwo so recht zum Zuge kommen lassen wollte. Vor allem bei Hallaschkas letztem Haussender, dem NDR, ist man gar nicht glücklich, nun eines der wenigen ARD-Eigengewächse von Format ausgerechnet an die private Konkurrenz verloren zu haben. Doch der ARD fehlen weiter Selbstvertrauen und Risikofreude, was den Aufbau eigener Gesichter und Talente angeht. Das gilt auch für den Showbereich: Als ihr hauseigener Quizkönig Jörg Pilawa nach neun Jahren zum ZDF wechselte, suchte die ARD nicht lang in den eigenen Reihen, sondern holte sich - den Sat.1-Mann Kai Pflaume.

Keine Gebühren für Lierhaus

Etwas anders ist der Fall der ehemaligen Sportschau-Moderatorin Monica Lierhaus gelagert: Die schwer erkrankte Lierhaus hatte Anfang Februar sichtlich gezeichnet bei der Springer-Gala Die Goldene Kamera ihren ersten TV-Auftritt seit zwei Jahren absolviert. Für 450000 Euro Jahresgage wird sie in Zukunft als Botschafterin die ARD-Fernsehlotterie Ein Platz an der Sonne repräsentieren. Auch wenn nun laut Presseberichten Lotterieteilnehmer aus Protest gegen die ihnen äußerst großzügig erscheinende Abmachung ihre Dauerlose stornieren, kann das Gebührenzahlerherz beruhigt weiter schlagen: Zwar bekommt Lierhaus' bis April amtierender Botschafter-Vorgänger Frank Elstner laut Lierhaus-Management sogar noch ein wenig mehr. Doch das Geld stammt nicht aus der Rundfunkgebühr - sondern wird aus dem üppigen Werbeetat der Lotterie bezahlt. Hier schließt sich gewissermaßen der Kreis zur Ex-Sportschau-Frontfrau Lierhaus. Schließlich ist Ein Platz an der Sonne seit dem vergangenen Sommer auch Trikotsponsor des Fußballerstligisten 1. FC St. Pauli.