Der Durchbruch gelang im Südwesten - und gleich zweimal. Sowohl im Groß- und Außenhandel als auch im Einzelhandel kam es in Baden-Württemberg als erstem Landesbezirk zu Abschlüssen in den Tarifrunden 2011 der beiden Fachgruppen im ver.di-Fachbereich Handel. "Unsere Ziele haben wir in entscheidenden Punkten erreicht", sagt Uwe Erschens, Leiter der Bundesfachgruppe Groß- und Außenhandel. "Es gab einen schnellen Abschluss, und die 3 steht für 2011 vor dem Komma." Dem Abschluss der Baden-Württemberger vom 20. Mai folgten bis Mitte Juni auch die anderen Landesbezirke. Einzige Ausnahme ist das Saarland, dort kommen die Verhandlungsparteien Anfang Juli nochmals zusammen.

Was es bringt

Für die Beschäftigten des Groß- und Außenhandels werden die Löhne und Gehälter in diesem Jahr um drei Prozent, 2012 dann um 2,4 Prozent steigen. Unterschiede gibt es zwischen den Landesbezirken zum Teil bei der Bezahlung der Auszubildenden. Hier hat Rheinland-Rheinhessen das beste Ergebnis erreicht: Zum 1. Juni 2011 bekommen Azubis im ersten Lehrjahr monatlich 45 Euro mehr, im zweiten und dritten Lehrjahr jeweils 35 Euro mehr. Im kommenden Jahr werden den Azubis aller Ausbildungsjahrgänge weitere 20 Euro pro Monat zusätzlich gezahlt.

Am 10. Juni einigte man sich auch im Einzelhandel in Baden-Württemberg. Drei Prozent mehr ab Juni 2011, weitere zwei Prozent im kommenden Jahr, Einmalzahlungen von 50 Euro (für Vollzeitbeschäftigte) im April 2012 sowie vergleichbare Anhebungen der Auszubildendenvergütungen - das sind die Eckdaten dieses Tarifvertrags. Außerdem bekommen alle Beschäftigten künftig 36 Werktage Urlaub im Jahr. Das Urlaubsgeld für Jugendliche wurde dem der Erwachsenen angeglichen.

"Dieser Abschluss ist ein Erfolg unserer Streiks in den zurückliegenden Wochen", sagt der Baden-Württemberger ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke. "Ohne den Einsatz tausender Kolleginnen und Kollegen wäre das Ergebnis nicht möglich gewesen. Es hat sich gelohnt!" Mehrere Wochen lang hatten sich Einzelhandelsbeschäftigte in allen größeren Städten Baden-Württembergs und aus allen wichtigen Handelsketten und Warenhäusern an den Streiks beteiligt.

Leiharbeit bleibt Thema

Auch die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Leiterin des Bundesfachbereichs Handel, Margret Mönig-Raane, beurteilt die starken Streiks im Südwesten als bemerkenswert. "Es war folgerichtig, dass es dort auch den ersten Abschluss im Einzelhandel gab", sagt sie. Das Ergebnis sei akzeptabel. Sie bedauert jedoch, dass keine Vereinbarung über Leiharbeit geschlossen werden konnte. "Das Thema bleibt auf der Tagesordnung." Bis Redaktionsschluss hatten das Saarland, Hessen, Hamburg und die gemeinsame Tarifregion Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen den baden-württembergischen Abschluss weitgehend übernommen. Auch in diesen Ländern wurde die Zahl der Urlaubstage pro Jahr für alle auf 36 festgelegt. "Mit dem Abschluss haben wir etwas für die Attraktivität der Branche getan: mehr Einkommen, sechs Wochen Urlaub, keine Leichtlohngruppe für Aushilfen", sagt Jörg Lauenroth-Mago, ver.di-Verhandlungsführer für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Trotz des guten Auftakts ist die Tarifrunde im Einzelhandel bislang nicht beendet, in einigen Regionen müssen noch hohe Hürden genommen werden. "Die Arbeitgeber wollen das Ergebnis aus Baden-Württemberg keinesfalls als Pilotabschluss ansehen. In einigen Ländern, etwa in Schleswig-Holstein, liegen sie mit ihrem Angebot weit unter diesem Abschluss", sagt Rüdiger Wolff, Tarifexperte der Bundesfachgruppe Einzelhandel. "Trotzdem hoffen wir auf einen zügigen Verlauf der Tarifrunde im Einzelhandel."