"Es war ein mulmiges Gefühl, in dem leeren Laden zu stehen, die Fenster zu verkleben und den Schlüssel das letzte Mal herumzudrehen." Arve Frase, bei Schlecker beschäftigt und engagierte Betriebsrätin, hat nach acht Jahren Betriebszugehörigkeit um 13 Uhr "ihren" Schlecker in Höxter geschlossen. Genauso wie für 12.000 andere Kolleginnen in Deutschland hieß es auch für sie am 24. März: "Aus, Schluss, vorbei, das war's!" Zukunft ungewiss.

Noch wenige Tage zuvor hatte sie mit ver.di-Landesleiter Detlef Ahting und Fachbereichsleiter Heiner Schilling bei Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, Finanzminister Hartmut Möllring, beide CDU, und Wirtschaftsminister Jörg Bode, FDP, für eine Transfergesellschaft gekämpft. Die 46-jährige Schlecker-Frau hat anderen Mut gemacht. Sie war nach einer betriebsbedingten Kündigung mit ver.di-Hilfe vor das Arbeitsgericht gezogen und hatte ihren Prozess wegen "nicht gerechtfertigter Sozialauswahl" gewonnen. Das Ganze ereignete sich, als sie seinerzeit einen Betriebsrat gründen wollte. "Nach viermonatiger Pause habe ich im April 2010 meinen alten Job wieder aufgenommen." Für die anderen habe sie ein Zeichen gesetzt, dass man sich erfolgreich wehren kann. So motivierte sie Kolleginnen, bei ver.di einzutreten, und so kam es im Mai 2011 zur Betriebsratswahl.

Damals wurde die Wahl zur Geheimsache erklärt. "Nur wir sechs Frauen aus dem Wahlvorstand wussten davon. Wir haben unsere Namen direkt dem Gesamtbetriebsrat bekanntgegeben, so dass mit dem Tag der Einsetzung auch Kündigungsschutz bestand", sagt sie. Die Angst vor Schließung war damals schon Motivation für die BR-Gründung. Acht Betriebsrätinnen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen waren sie ursprünglich in diesem Betriebsteil von Schlecker AS.

Die Zeit reichte kaum noch

Mit der ersten Schließungswelle blieben von 13 nur noch acht Verkaufsstellen übrig. "Schlecker hat 2009 fast unbemerkt 1900 Filialen geschlossen", berichtet die Betriebsrätin. "Die Budgets wurden immer kleiner. Die Zeit reichte kaum noch, um alles zu schaffen. Wir mussten schließlich auch putzen, sogar die Fenster", so Frase. "Doch wir alle haben gern bei Schlecker gearbeitet", sagt sie. Mit 33 Wochenstunden habe sie angefangen, zuletzt 31,5 Stunden gearbeitet. Dafür habe sie bei 13,52 Euro Stundenlohn 2050 Euro brutto verdient.

Schlecker hat nach Tarif bezahlt: Das Endstufengehalt einer Verkäuferin oder einer "Verkaufsstellenverwalterin" lag bei knapp 2700 Euro. Eine Filialleitung hätte er höher bezahlen müssen, erklärt Frase die Berufs-Erfindung von Anton Schlecker für die Person mit Schlüsselgewalt. Der Anteil männlicher Kollegen liege bei einem Prozent, bedingt durch etwa 50 Prozent männliche Bezirksleiter. "Männer im Verkauf waren nicht erwünscht, allein schon wegen der nicht vorhandenen separaten sanitären Einrichtungen." Früher habe die Besetzung eines Ladens aus einer Vollzeit-Kraft mit 37,5 Stunden und zwei 20-Stunden-Kräften bestanden, um die Kernöffnungszeit von 55 Stunden abzudecken. Das sei dann reduziert worden.

"Solche flexiblen Frauenarbeitsplätze sind nicht wieder zu finden - schon gar nicht auf dem flachen Lande", sagt Arve Frase. Im Einzelhandel kämen derzeit zwölf Bewerber auf eine freie Stelle. Und in vielen Orten, wie beispielsweise in Neuhaus im Solling, falle mit der Schließung des Schlecker-Ladens auch eine der letzten Einkaufsmöglichkeiten weg. "Für den Laden haben wir mit dem Bürgermeister gekämpft - leider vergeblich." Nun sollen noch 3200 Schlecker- und 650 Ihr-Platz-Filialen übrigbleiben. Über 10.000 Verkäuferinnen und 1500 Lagerarbeiter sind inzwischen gekündigt.

Schlecker kann überleben

"Die Kunden haben es in der Hand: Schlecker kann überleben", sagt Frase. Denn 75 Prozent der Führungsmannschaft sei ausgetauscht. Die Preise müssten angepasst werden. Aber dann habe Schlecker eine gute Chance. "Ich bleibe, und andere gehen. Das ist ein großer mentaler Druck. Aber ich werde mich weiter engagieren." syno