Mit der geplanten Freihandelszone zwischen den USA und der EU drohen erhebliche Nachteile für Arbeitnehmer/innen und Gewerkschaften

von Harald Neuber

Die Initiatoren der weltgrößten Handelsinitiative geizen nicht mit Super- lativen. Und tatsächlich: Würde das geplante "Transatlantische Freihandelsabkommen" zwischen den USA und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union realisiert, wäre es die größte Handelszone mit zwei Partnern auf dem gesamten Globus. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von 500 Milliarden Euro und einem Dienstleistungsumfang von 280 Milliarden Euro würde die "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" den weltweiten Handel nachhaltig beeinflussen.

Der Aufstieg von Schwellenländern wie Brasilien, China oder Indien hat den Druck auf die industriellen Zentren offenbar so stark erhöht, dass ein Wirtschaftsbündnis zwischen Washington und den EU-Staaten als Gegengewicht geschaffen werden soll. Aber was bedeutet das für die Arbeitnehmer? Die Bundesarbeitskammer (BAK) in Österreich verweist auf zahlreiche Unsicherheiten. So wird seit Beginn der Freihandelsgespräche am 8. Juli auch über den Abbau "nicht-tarifärer Handelshemmnisse" debattiert. Dabei kann es sich um gewerkschaftlich erkämpfte Schutzbestimmungen handeln, die als Handelshemmnisse uminterpretiert werden.

Die Österreicher fordern daher vorsorglich die Einbindung "sämtlicher Sozialpartner mit dem Ziel, das hohe Niveau an Gesundheits- und Sicherheitsstandards sowie des Umweltschutzes" auf beiden Seiten des Atlantiks zu erhalten. Zudem verweist das Europa-Büro des österreichischen Arbeitnehmerverbandes auf die systematische Schwächung von Gewerkschaften in den USA. Die BAK sieht einen "Wettbewerb mittels finanziellen Aushungerns von US-Gewerkschaften". Auch daher seien bei einer Handelsliberalisierung negative Folgen für Arbeitnehmer/innen in den USA und der EU zu erwarten.

Schwere Skepsis angebracht

Uwe Wötzel, der beim ver.di-Bundesvorstand im Bereich Politik und Planung arbeitet, bestätigt die Bedenken. Derzeit seien die ver.di-Gremien dabei, eine abschließende Position zu dem geplanten transatlantischen Abkommen zu formulieren. "Allerdings lässt sich jetzt schon sagen, dass auch wir die Verhandlungen äußerst skeptisch sehen", so Wötzel. Ebenso wie die BAK fordere auch ver.di die Aufnahme arbeitsrechtlicher und sozialer Standards. "Vor allem aber haben die USA gerade einmal zwei der insgesamt acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation übernommen: die Abschaffung der Zwangsarbeit und das Verbot schwerster Formen der Kinderarbeit", sagte Wötzel. Mehrere der in Europa selbstverständlichen Gewerkschaftsrechte - darunter die Freiheit zur Gründung von Arbeitnehmerverbänden, die Kollektivvertragsfreiheit sowie Übereinkommen für gleiche Entlohnung - sind in den USA jedoch nicht einklagbar.

Michael Reckordt von der Nichtregierungsorganisation Power Shift verweist auf ein weiteres Problem. Der Vertrag zwischen der EU und den USA sehe einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten vor. Vergleichbare Schiedsstellen bei der WTO oder der Weltbank sind umstritten, weil den Investoren weit mehr Rechte eingeräumt werden als den Staaten. "Wenn zum Beispiel einem Bergbaukonzern aufgrund von Verstrickung in Menschenrechtsverletzungen oder demokratisch beschlossener Umweltgesetze die Fortführung des Abbaus verboten wird, kann er klagen", führt Reckordt aus. Mit der Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Schließung deutscher AKWs muss sich Deutschland erstmals einem Schiedsverfahren stellen. Bei der Etablierung der US-europäischen Freihandelszone würde das kein Einzelfall bleiben.

ver.di fordert nun Nachbesserungen. "Wenn man realistisch ist", so Uwe Wötzel, "gibt es in der internationalen Handelspolitik keine positiven Vorbilder für einen sozialen Freihandelsvertrag."