Nur 100 Prozent Gießkannen-Prinzip ist gerecht

Aufopferungsvoll kümmert sich der Gärtner um seine sechs Pflanzen. Drei gießt er jeweils mit gleich viel Wasser, die anderen drei bekommen Wasser entsprechend ihrer individuellen "Leistung". Das führt dazu, dass sich die ersten drei Pflanzen gleich entwickeln, bei dem anderen Trio eine Pflanze deutlich mehr gedeiht, während die anderen beiden verkümmern. In der Summe bringen aber die drei gleich gepflegten mehr Ertrag als der Leistungsträger.

Mit diesem kabarettistisch aufbereiteten Sinnbild beschreibt das von ver.di unterstützte "Aktionsbündnis Gießkanne" beim Landratsamt des Rems-Murr-Kreises die Folgen des Leistungsentgelts. 2007 hatten Personalrat und Verwaltungsspitze eine Dienstvereinbarung dazu ausgehandelt. Das war nach Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD) möglich. Doch die Beschäftigten waren mit dem Leistungsentgelt unzufrieden. Seit dem 1. Januar 2012 besteht nun keine Dienstvereinbarung mehr. Die Folge: Nur ein kleiner Teil der eigentlich den Mitarbeiter/innen laut Tarifvertrag zustehenden Leistungsvergütung wird ausgezahlt, der Rest wurde erst einmal eingefroren - mittlerweile immerhin eine hohe sechsstellige Summe.

Die Verwaltungsspitze hält weiter an der von bewerteter Leistung abhängigen Ausschüttung des Geldes fest. Der Großteil der Beschäftigten und der Personalrat wollen jedoch, dass das Geld gleichmäßig auf alle Mitarbeiter/innen verteilt ausgeschüttet wird, also nach dem Gießkannenprinzip. Deswegen haben sie im Frühjahr 2013 das "Aktionsbündnis Gießkanne" gegründet. "Wir sind der Auffassung, dass das erklärte Ziel der Tarifpartner, über Systeme der Leistungsbewertung eine höhere Motiva-tion der Beschäftigten zu erreichen, nicht erreicht wurde. Stattdessen hat das Betriebsklima unter der ungleichen Verteilung des Leistungsentgelts stark gelitten", so ein Mitglied des Aktionsbündnisses. Untere Entgeltgruppen wurden schlechter bewertet als höhere, von Jahr zu Jahr gab es mehr Beschäftigte, die leer ausgingen. Auch die Bewerter/innen waren zunehmend unzufrieden, weil sie das Gefühl hatten, den Beschäftigten nicht gerecht werden zu können.

Dass das Landratsamt Rems-Murr keine Ausnahme ist, bestätigt eine Untersuchung der Universität Tübingen. Vielfach habe das Leistungsentgelt die Beziehungen zwischen Mitarbeiter/innen und Vorgesetzen, aber auch unter Kolleg/innen verschlechtert. In anderen Landratsämtern wurden mittlerweile Dienstvereinbarungen ausgehandelt, die einen deutlich höheren Anteil des Geldes per Prinzip Gießkanne ausschütten. Zahlreiche Kommunen sind aufgrund der Erfahrungen wieder zu 100 Prozent Gießkanne zurückgekehrt.

Unbewegliche Verwaltung

Eine solche Rückkehr scheint für das Landratsamt Rems-Murr in weiter Ferne zu bleiben. Nach der Mittagspausenaktion, an der über 100 Beschäftigte aus verschiedenen Dienststellen teilgenommen haben, kam zwar im Herbst letzten Jahres wieder Schwung in die Gespräche zwischen Verwaltungsspitze und Personalrat. Mittlerweile sind die Verhandlungen jedoch an der unbeweglichen Haltung der Verwaltung gescheitert. Die zuständige Gewerkschaftssekretärin, Jana Seppelt, versteht die unnachgiebige Haltung der Verwaltung nicht und vermutet politisches Kalkül dahinter. Nun wird das Aktionsbündnis im neuen Jahr wieder aktiv werden, um die Verwaltung endlich zum Einlenken zu bewegen.