So ist's Recht

Bereits 20 Jahre lang hatte ein unterdessen 82-jähriger Mann im Winter zuverlässig Schnee geschippt und den Bürgersteig von Eis befreit, und zwar vor einer Anlage mit Eigentumswohnungen, von denen eine ihm selbst gehört. Ganz selten hat er es mal nicht geschafft, und einmal rutschte prompt ein Fußgänger aus. Haftbar gemacht für den entstandenen Verletzungsschaden und ein entsprechendes Schmerzensgeld machte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg aber die ganze Eigentümergemeinschaft. Wenn die Nachbarn einen Menschen "in diesem Alter" mit dem Winterdienst beauftragen, so das OLG unter dem Aktenzeichen 1 U 77/13, dann müssten sie das auch kontrollieren. Der gestürzte Fußgänger musste allerdings einen 40-prozentigen Abzug von seinen Ansprüchen hinnehmen, weil er "sehenden Auges" die Gefahrenstelle betreten hatte.

Apropos Sturzgefahr: Wirkt eine 80-jährige Frau nicht "besonders gebrechlich oder sturzgefährdet", so braucht laut einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin der Straßenbahnfahrer, mit dem Anfahren nicht so lange zu warten, bis die Dame erkennbar sicheren Halt gefunden hat. Er könne davon ausgehen, so die Richter, dass sie in den üblichen fünf bis sieben Sekunden bis zum Start entsprechenden Halt gefunden habe. Sei das nicht der Fall und stürze die Frau, so sind laut Kammergericht weder der Fahrer noch das Unternehmen zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet. Die Kundin hätte gegebenenfalls den Fahrer darum bitten müssen, mit dem Anfahren so lange zu warten, bis sie einen Platz gefunden habe, Aktenzeichen: 22 U 251/11.

Deutlich rücksichtsvoller gegenüber gebrechlichen Senior/innen zeigte sich das Amtsgericht Kassel: Eine 92-jährige Frau hatte eine Auslandsreise gebucht, konnte ihren Urlaub aber wegen der starken Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht antreten. Als sie die Reise stornieren und ihren Reiserücktrittskosten-Versicherer in Anspruch nehmen wollte, stellte der sich jedoch quer. Die Frau habe schon seit längerem unter einer chronischen Niereninsuffizienz gelitten, so dass es sich nicht um eine "unerwartete" Erkrankung gehandelt habe. So nicht, entschied das Amtsgericht und sprach der betagten Frau unter dem Aktenzeichen 435 C 2419/12 den Ersatz der Stornokosten zu.

Henrik Müller/Wolfgang Büser