von Marion Lühring

Das zeigt schon alles: Fast jeder Zweite, 45 Prozent aller Beschäftigten, ist im letzten Jahr an mindestens fünf Tagen krank zur Arbeit gegangen, 18 Prozent sogar an zehn Tagen und acht Prozent an mehr als 20 Tagen. Der Druck nimmt immer weiter zu.

Zusätzlich werden unbezahlte Überstunden gemacht; 42 Prozent der Beschäftigten sind davon betroffen. Die relative Entspannung am Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren hat nicht zu einer Entspannung bei den Arbeitsbedingungen geführt. Das belegen die aktuellen Befunde des DGB-Index Gute Arbeit, der alljährlich die Qualität der Arbeit aus der Sicht der Beschäftigten misst.

Laut Report 2013 verharren die Indexwerte auf dem schlechten Niveau der Vorjahre. Die gemessene durchschnittliche Arbeitsqualität kommt erneut nur auf 61 von 100 möglichen Punkten und erreicht damit wie im Vorjahr eine Qualitätsstufe im "unteren Mittelfeld". Bei den Einzelbewertungen kommt nur der Wert "Sinn der Arbeit" mit 80 Punkten auf das Urteil Gut. Die schlechtesten Bewertungen erzielen das Einkommen mit 46 Punkten und die Arbeitsintensität mit 47 Punkten; damit liegen diese beiden Kriterien im oberen Feld für schlechte Arbeit. Für die Repräsentativbefragung zur Ermittlung des DGB-Index Gute Arbeit wurden knapp 5800 abhängig Beschäftigte befragt.

Das Arbeitspensum in Deutschland hat zugenommen, wie schon in den Jahren zuvor: 61 Prozent der Beschäftigten müssen mehr Arbeit in der gleichen Zeit leisten als noch im Vorjahr. 56 Prozent der Beschäftigten arbeiten sehr häufig oder oft gehetzt. 66 Prozent haben keinen oder nur einen geringen Einfluss auf ihr Arbeitspensum. Unter den jetzigen Bedingungen gehen nur 45 Prozent der Beschäftigten davon aus, bis zum gesetzlichen Rentenalter durchzuhalten.

Nicht länger zum Nulltarif arbeiten

Obwohl Stress und Druck steigen, hat sich die Einkommenssituation nicht verbessert. Für 43 Prozent der Beschäftigten reicht das Geld nicht oder nur gerade so aus. Erschwerend kommt das Arbeiten zum Nulltarif hinzu: 15 Prozent arbeiten sehr häufig oder oft außerhalb der normalen Arbeitszeit unbezahlt für den Betrieb, 26 Prozent tun das hin und wieder. Der Arbeitgeber hat dann einen doppelten Vorteil, denn er zahlt weder für die Arbeitsleistung, noch führt er Sozialabgaben ab. Nicht erfasste Arbeitszeiten und Überstunden, die nicht abgegolten werden, sind aber nur der eine Teil der Leistungen, für die Beschäftigte keine Gegenleistung bekommen. Der andere Teil steckt in der Unterbewertung der Arbeitsleistung insgesamt. 50 Prozent der Befragten finden ihr Einkommen "gar nicht" oder nur "in geringem Maß" angemessen in Bezug auf ihre Arbeitsleistung.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske fordert aufgrund der anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen eine "neue Ordnung der Arbeit". Dazu gehört ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von anfangs 8,50 Euro, ohne Ausnahmen. Außerdem darf Arbeit zum Nulltarif nicht länger geduldet werden. Die Ausweitung der Arbeitszeiten muss gestoppt werden. "Flexible Arbeitszeiten brauchen klare Grenzen, um Lohndumping und arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhindern", sagt Bsirske.

"Der anhaltend hohe Zeit- und Leistungsdruck ist die Hauptursache für den Besorgnis erregenden Zuwachs psychischer Erkrankungen", kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Er verursacht Kosten in Milliardenhöhe." Sie fordert eine Anti-Stress-Politik mit einer konsequenten Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, um körperliche und psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz zu vermeiden. Marion Lühring