Per Gesetz will die Bundesregierung Tarifeinheit im Betrieb erzwingen und schränkt damit das Streikrecht ein. ver.di sagt ja zur Tarifeinheit, aber nein zum Eingriff ins Streikrecht

Augen zu und durch - das ist offenbar die Leitlinie der schwarz-roten Koalition beim Durchpeitschen ihres Gesetzes zur Erzwingung der Tarifeinheit im Betrieb. Die damit verbundene Einschränkung des Streikrechts der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften - es ficht die Regierung nicht an. Auch alle Proteste und verfassungsrechtlichen Bedenken aus den Reihen der parlamentarischen Opposition, der Gewerkschaften und der Rechtswissenschaft nicht. Am 5. März 2015 befasste sich der Bundestag in 1. Lesung mit der Gesetzesvorlage. Im Kern geht es darum, das Tarifvertragsrecht dahingehend zu ändern, dass von mehreren Tarifverträgen mit gleichem Geltungsbereich in ein und demselben Betrieb nur derjenige gelten soll, den die jeweils mitgliederstärkste Gewerkschaft abgeschlossen hat. Kurzum: Die schwächeren Gewerkschaften hätten faktisch kein Streikrecht mehr.

In einem auf Initiative der Grünen- Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke erstellten Rechtsgutachten haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags das geplante Gesetz "alles in allem" als verfassungswidrig eingeschätzt. Es verletze das durch Artikel 9 des Grundgesetzes garantierte Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, und Sprecher der Regierungsfraktionen von Union und SPD stellten in der Bundestagsdebatte allerdings in Abrede, dass das Gesetz die Verfassung überhaupt berühre. "Mancher", sagte Nahles, habe nun "Sorge, es würden Rechte der Arbeitnehmer, der Gewerkschaften beschnitten. Mancher hofft auch - heimlich oder öffentlich -, es würden Streiks kleiner Gewerkschaften verboten, weil sie den Bahn- oder Flugverkehr stören oder die Gesundheitsversorgung treffen. Fakt ist: All das tut dieses Gesetz nicht."

Geplanter Verfassungsbruch

Als der Bundesrat am 6. Februar das Gesetz zur Tarifeinheit "ohne Bedenken" durchwinkte, klang das noch ganz anders: Ziel sei es, "Arbeitskämpfe konkurrierender Gewerkschaften im selben Unternehmen - wie zum Beispiel bei der Deutschen Bahn oder der Lufthansa - zu verhindern", hieß es dazu in einer Pressemitteilung der Länderkammer. Im Bundestag forderte die Linke die Bundesregierung deshalb auch auf, ihre Pläne fallenzulassen. Linke-Sprecher Klaus Ernst sagte: "Der geplante Verfassungsbruch lässt sich nicht mehr schönreden." Fakt ist: Nahles tut es trotzdem.

Während Unternehmerverbände sowie Vertreter des DGB und einiger seiner Gewerkschaften den vorläufigen Gesetzentwurf aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium begrüßen, verstärken die DGB-Gewerkschaften ver.di, NGG und GEW ihre Aufklärungsarbeit gegen die Einschränkung des Streikrechts. Sie wenden sich damit aber keineswegs gegen den Grundsatz der Tarifeinheit, so der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske: "Der Gedanke der Tarifeinheit, also die Beseitigung von Tarifkonkurrenz, gehört zu den Fundamenten von ver.di - aber als Ziel und Ergebnis gewerkschaftspolitischer Aktivitäten." Der freiwillige Zusammenschluss von fünf Organisationen zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft entspreche nicht zuletzt genau dieser Philosophie. "Dazu brauchen wir aber kein Gesetz, das tendenziell Streiks unterbindet, sondern Überzeugungskraft", sagt Bsirske.

Unterdessen drohen dem Grundrecht auf Streik weitere Gefahren - aus Bayern. Die CSU will unter dem Stichwort "Für ein modernes Streikrecht" Gewerkschaften bei Arbeitskämpfen - erst einmal im Bereich der sogenannten Daseinsvorsorge, sprich in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, etc. - in ein enges juristisches Korsett zwingen und strebt deshalb eine Bundesratsinitiative an.

Brennpunkt Seite 3

Jetzt unterschreiben

Dem Aufruf der DGB-Gewerkschaften ver.di, NGG und GEW unter der Überschrift "Tarifeinheit: ja - Eingriff ins Streikrecht: nein", der sich gegen eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit wendet, haben sich bis zum 10. März 2015 über 70.000 Unterstützer/innen angeschlossen. Das Formular einer Unterschriftenliste findet sich in dieser ver.di publik auf Seite 11. Im Internet kann unterzeichnet werden unter

www.verdi.de/themen/geld-tarif/tarifeinheit