Direkt vor Ort mitbestimmen

Sozial- und Erziehungsdienstbeschäftigte auf einer Kundgebung 2015 auf dem Frankfurter Römer

Im Frühjahr stehen in Hessen wichtige Wahlen an, auf die sich die Gewerkschaften gründlich vorbereiten. Da sind die Personalratswahlen im Mai - für ver.di ein herausforderndes Heimspiel. Kurz zuvor, Anfang März, finden die Kommunalwahlen statt. Auch da will ver.di Hessen sich einmischen. Denn Daseinsvorsorge ist eine gesellschaftliche Aufgabe über den Betrieb hinaus. Direkt vor Ort mitbestimmen, heißt das Motto. Meist in Zusammenarbeit mit dem DGB haben die hessischen ver.di-Bezirke daher "Prüfsteine" entwickelt, einen Forderungskatalog also, an dem die antretenden politischen Parteien gemessen werden. Denn die Ergebnisse der beiden Wahlen werden Einfluss auf das Leben der Menschen in den kommenden Jahren haben. Regional gibt es unterschiedliche Schwerpunkte

Soziale Standards setzen in Frankfurt

Höflich als Vorschläge bezeichnet, legen die Frankfurter Gewerkschafter/innen ihre Vorstellungen von einer sozialen Stadt vor: "Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen gehört in gesellschaftliche Verantwortung. Das gilt für Gesundheit, Bildung, Wohnraum, Transport, Verkehr und Kultur ebenso wie für Strom, Gas- und Wasserversorgung. Der Teufelskreis von Kinderarmut, geringen Chancen bei Ausbildung und Arbeit sowie Armut im Alter muss durchbrochen werden. Soziale Leistungen müssen Armut verhindern und gesellschaftliche Teilhabe möglich machen."

Diese Grundsätze gelten nach Gewerkschaftsvorstellungen für Einheimische wie für neu Hinzugekommene. Frankfurt soll nicht länger eine Stadt der Banken und Bonzen sein, sondern soziale Standards beim Arbeiten und Wohnen für alle setzen. Zusammen mit zahlreichen anderen Organisationen startete ver.di Frankfurt und Region bereits im Dezember einen Aufruf: Wohnen muss bezahlbar bleiben. Dabei sollen sich über eine Erhöhung der Gewerbesteuer auch die Unternehmen in den Dienst der Allgemeinheit stellen.

Rosi Haus von ver.di Frankfurt und Region betont, es sei ein dringendes gewerkschaftliches Anliegen, die Beschäftigten zum Wählen anzuregen: "Wir wollen nicht nur in den Betrieben, sondern auch in den Kommunen soziale Verantwortung übernehmen", betont sie, "das heißt Flagge zeigen." Der Bezirk wird vor den Betrieben mit Flyern werben.

Speziell aus dem Fachbereich Gemeinden hat darüber hinaus eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Ämtern und Dienststellen Probleme der städtischen Bediensteten in Frankfurt aufgelistet - bewusst im Zusammenhang mit den Personalratswahlen. Ein umfangreicher Katalog von der Jugend- und der Sozialhilfe über die Kliniken bis hin zur Feuerwehr weist nach, was der bisherige Personalabbau angerichtet hat. Die Bezirksfachbereichs-Vorsitzende Mareike Müller sagt, dass die Ankunft von Flüchtlingen die kommunalen Probleme nicht erzeugt, sondern lediglich sichtbar gemacht habe.Ende Januar sollen diese Themen auf einer Pressekonferenz mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske vorgestellt werden.

Themen: Tariftreue und Personalabbau

Im hessischen Norden legt der ver.di-Bezirk Kassel sein Augenmerk auf Tariftreue - ein Problem besonders in den Landkreisen. Das geltende Gesetz, so Bezirksgeschäftsführer Axel Gerland, sei nicht ausreichend. Öffentliche Ausschreibungen müssten sich zwingend am Tariflohn orientieren. ver.di Mittelhessen konzentriert sich - so der Stand Mitte Januar - gemeinsam mit dem DGB auf die Aufwertung der sozialen Dienste. Auf jeden Fall, so Susanne Pitzer-Schild, sorgt die Diskussion für Aktivierung. Für die ver.di-Aktiven in Südhessen stehen die Finanzausstattung der Kommunen und ein bürgerfreundlicher öffentlicher Nahverkehr im Zentrum. Ein Herzensanliegen ist ihnen, wie Karin Harder betont, der menschenwürdige Umgang mit den Flüchtlingen.

Bevor man sich zum Wahllokal aufmacht, lohnt es sich also, sich in den Bezirken über die gewerkschaftlichen Prüfsteine zu informieren.