Die Bundesregierung will die Verwaltung der Bundesstraßen zentralisieren und Privatinvestoren beteiligen. Für Beschäftigte und Bürger würde das teuer

Und wieder eine Autobahn gesperrt

Die Versicherungswirtschaft hat Probleme. Viele Policen zur Alterssicherung, die vor ein paar Jahren abgeschlossen wurden, garantieren der Kundschaft noch jährliche Zinsgewinne von drei bis vier Prozent. Die aber lassen sich gegenwärtig kaum verdienen: Staatsanleihen und Pfandbriefe werfen so gut wie nichts ab. Deshalb sucht die Branche intensiv nach lukrativeren Alternativen. Auch die Bundesregierung hat ein verschärftes Interesse an einer Lösung: Auf keinen Fall will sie riskieren, dass Versicherungshäuser demnächst vor der Pleite stehen und mit Steuergeldern gerettet werden müssten; schließlich geht es auch um Millionen von Riester- und Rürupverträge. Deshalb suchen Politik und Assekuranz seit längerem nach neuen, gewinnträchtigen Anlagemöglichkeiten für die vielen Milliarden aus der privaten Altersvorsorge.

Zugleich gibt es einen immensen Finanzbedarf des Staates bei der Infrastruktur: Viele Straßen sind mit Schlaglöchern übersät, immer mehr marode Brücken müssen für Lkw gesperrt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass in den kommenden 30 Jahren allein für Straßenbau und -reparatur 150 bis 250 Milliarden Euro benötigt werden. Doch die 2011 eingeführte Schuldenbremse verhindert, dass sich die öffentliche Hand Kredite aufnimmt.

Ende August 2014 hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, die sogenannte Fratscher-Kommission eingesetzt, die Vorschläge zur "Stärkung von Investitionen in Deutschland" machen soll. Im Sommer 2015 hat sie vorgeschlagen, eine zentrale Bundesfernstraßengesellschaft zu gründen. In diesem Zusammenhang sinnierten die Kommissionsmitglieder, darunter zwei Vertreter der Versicherungswirtschaft und ein Banker, auch über Fonds für private Anleger.

Die Rechnungshöfe von Bund und Ländern haben immer wieder vor solchen Schattenhaushalten gewarnt: Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) werden für Steuerzahler und Nutzer im Endeffekt wesentlich teurer. Ein entscheidender Grund liegt darin, dass der Staat Kredite viel billiger bekommt als die Privatwirtschaft, weil es für die Banken bei einem Land wie Deutschland kein Ausfallrisiko gibt. Außerdem wollen die Privaten mit ihrem Investment Rendite erwirtschaften und kalkulieren entsprechend. Gelingt es ihnen, wie zum Beispiel vor einigen Jahren bei den Berliner Wasserbetrieben, Garantieerträge auszuhandeln, liegt das Risiko komplett beim Staat und den Bürgern - und der Gewinn bei den Privaten.

Länder verwalten

Allerdings kann der Bund nach gegenwärtiger Rechtslage nicht einfach entscheiden, eine zentrale Autobahn- und Fernstraßengesellschaft zu etablieren: Das Grundgesetz schreibt fest, dass die Verwaltung den Ländern obliegt. Dort kümmern sich gegenwärtig etwa 30.000 Beschäftigte um Planung, Ausschreibungen und Pflege. "Es macht keinen Sinn, Autobahnen und Landstraßen voneinander isoliert zu betrachten - das ist ein zusammenhängendes Netz", kritisiert Antje Schumacher-Bergelin von der ver.di-Bundesverwaltung die Pläne der Bundesregierung. Zudem sieht sie die Gefahr, dass sich die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der tariflich noch gut abgesicherten Belegschaften insbesondere in den Straßenmeistereien verschlechtern - schließlich zählt für private Investoren vor allem eine hohe Rendite.

Zwar hat der Bundesrat die Verlagerung der Kompetenzen auf die Bundesebene abgelehnt und ein eigenes Expertengremium eingesetzt: Am 23. Februar wird die sogenannte Bodewig II-Kommission ihren Bericht vorlegen. Doch Carl Waßmuth von der Initiative "Gemeingut in Bürgerhand" beurteilt den im Dezember vorgelegten Zwischenstand der Bodewig II-Kommission sehr kritisch: Das favorisierte Szenario sieht ebenfalls eine zentrale Sammelstelle für privates Kapital vor. Damit könnte sich die Diskussion bald nicht mehr um die Frage drehen, ob es überhaupt eine privat finanzierte Bundesfernstraßengesellschaft gibt, sondern eher darum, wie sie ausgestaltet wird. Nicht mehr ausgeschlossen ist, dass bereits im Frühjahr eine Grundgesetzänderung auf der Tagesordnung steht.

Bereits im Dezember hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, versucht, das Thema Bundesautobahngesellschaft mit der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu koppeln. Damals ließen sich die Ministerpräsidenten noch nicht ködern.