Der Phalanx der Arbeitgeber setzt ver.di Südhessen eine solidarische Tarifpolitik entgegen

Auf die Tarifrunden in diesem Frühjahr - zum Beispiel bei der Telekom, bei T-Systems oder im öffentlichen Dienst - ist ver.di Südhessen gut vorbereitet. Möglichst viele Fachbereiche wollen gemeinsam handeln. Damit haben sie gute Erfahrungen gemacht, als es um die Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten ging, die um ihre Arbeitsplätze kämpften. Und im vergangenen Sommer trafen sich verdianer/innen aus den unterschiedlichsten Bereichen auf dem Luisenplatz in Darmstadt, um die Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen zu unterstützen. Die Erfahrungen zeigen: Man kann gewerkschaftliche Kraft bündeln und dadurch verstärken.

Dabei geht es nicht allein um spontane Solidarität mit streikenden Kolleginnen und Kollegen. Das ist für Gewerkschafter/innen eine Selbstverständlichkeit. Nein, es geht auch darum, über die Grenzen der einzelnen Fachbereiche hinweg die Entwicklung einer gemeinsamen Tarifpolitik zu verstetigen. Dieser Impuls kam schon vor einigen Jahren von Vertrauensleuten und Betriebsräten, zunächst vor allem aus dem öffentlichen Dienst und der Druckindustrie. Inzwischen haben sich acht Fachbereiche zusammengefunden. Denn viele grundlegende Probleme beschäftigen alle gleichermaßen. Wenn es um den Kampf gegen Tarifflucht geht, wenn Arbeitsbedingungen angegriffen werden oder wenn - in Südhessen ein großes Thema - der freie Sonntag auf dem Spiel steht. Der Phalanx der Arbeitgeber setzt ver.di Südhessen eine solidarische Tarifpolitik entgegen.

Die Organisation unterschiedlicher Fachbereiche unter einem gemeinsamen Dach bietet beste Voraussetzungen für eine Vernetzung und gemeinsames Handeln. Im Bezirk Südhessen hat man nicht gewartet, bis sich dieser Gedanke in der gesamten Organisation durchgesetzt hat. Verschiedene Formen der Kooperation standen zur Debatte, gegenseitige Unterstützung bei der inhaltlichen Gestaltung und der organisatorischen Bewältigung von Tarifrunden.

ver.di als Einheit

Anfangs gab es noch viele Bedenken: Würde man für dieses Projekt zu viel Eigenständigkeit aufgeben müssen? Würden die Besonderheiten der eigenen Branche im "großen Ganzen" untergehen? Die Vertrauensleute und Betriebsräte setzten dagegen, dass durch gemeinsame Diskussionen und Aktionen in bewährten Bereichen auch dort Kraft entfaltet werden könne, wo man sich mit der Interessenvertretung noch schwer tut. Sicher, der einzelne Fachbereich tritt ein wenig zurück, ver.di steht stärker als bislang im Vordergrund. Doch der Vorteil: ver.di wird nicht nur in Sparten, sondern als Einheitsgewerkschaft erlebt.

Inzwischen gehört es in Tarifrunden mehrerer Fachbereiche schon zum Standard, dass sich Betriebsräte und ver.di-Vertrauensleute auf Betriebsversammlungen austauschen, auch wenn sie nicht unmittelbar gefordert sind. Man informiert über die Ziele des Fachbereichs und die Schwierigkeiten, Forderungen durchzusetzen. Der spärlichen und oft tendenziösen Berichterstattung in den Medien werden authentische Informationen entgegengesetzt. Darüber hinaus rücken in den Tarifrunden branchenübergreifende Interessen in den Fokus.

Im ver.di-Bezirk Südhessen wird diese Art Gewerkschaftsarbeit vorerst während der jeweils anstehenden Tarifrunden erprobt, jährlich auf einer gemeinsamen Funktionärskonferenz aller Fachbereiche theoretisch fundiert, in einer Tagung ausgewertet und für das folgende Jahr vorbereitet. Die Aktiven, wie sie sich stolz nennen, sehen sich noch am Anfang dieser qualitativ neuen Form der Zusammenarbeit. Aber die Praxis hat begonnen.