Eineinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des Mindestlohns sind die ersten Streitigkeiten um seine Auslegung jetzt beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt angekommen. Dessen 5. Senat stellte in einem Urteil vom 25. Mai 2016 fest, dass Arbeitgeber Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn anrechnen können, wenn sie als Gegenleistung zur erbrachten Arbeit anzusehen sind.

Der Fall: Der Arbeitsvertrag der vom DGB-Rechtsschutz vertretenen Klägerin sieht neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie ein Urlaubs- und ein Weihnachtsgeld vor. Der Stundenlohn beträgt ohne die Sonderzahlungen weniger als 8,50 Euro brutto. Im Dezember 2014 hatte die beklagte Firma mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung der Jahresleistungen abgeschlossen, die dazu führte, dass die betroffene Beschäftigte seit Januar 2015 monatlich neben dem Bruttogehalt jeweils ein Zwölftel des Urlaubs- und des Weihnachtsgeld erhält.

Die Kollegin wollte nun erreichen, dass sowohl ihr Monatsgehalt als auch die Jahressonderzahlungen und die Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden. Das lehnten die Erfurter Richter/innen ab und erklärten, dass jede Form der Vergütung, die als Gegenleistung für erbrachte Arbeit anzusehen sei, grundsätzlich auf den Mindestlohn angerechnet werden könne. Eine Anrechnung komme dagegen nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung zahle oder die Zahlung auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhe, zum Beispiel nach Paragraf 6 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) als Ausgleich der besonderen Belastung durch Nachtarbeit diene.

Auf einen Schlag

DGB-Rechtsschutzsekretär Till Bender stellt dazu fest, dass auch nach diesem BAG-Urteil die Frage offen bleibe, ob die Anrechnung der Jahressonderzahlungen auf den Mindestlohn nur dann möglich sei, wenn die Auszahlung auf zwölf Monate gesplittet werde, oder auch dann, wenn die Zahlung "auf einen Schlag" erfolge. Bender: "Erstaunlich ist, dass das BAG kein Problem darin sieht, dass der Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld über den Umweg einer Betriebsvereinbarung quasi beseitigt wird." Denn der Anspruch selbst ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag, die Betriebsvereinbarung könne nur die Auszahlungsmodalitäten regeln. "Wenn das aber dazu führt, dass der arbeitsvertragliche Anspruch beseitigt wird, dann ist das problematisch. Hier darf man auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt sein." dgb-rs/hem

Aktenzeichen: 5 AZR 135/16

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