Marion Lühring ist Redakteurin der ver.di publik

Die Kinderarmut wächst - mit Nachteilen für das ganze Leben, denn arm bleibt arm. Zwar ist der Stand der Forschung zu den Folgen von Kinderarmut in Deutschland insgesamt noch dünn, vor allen Dingen über einen längeren Zeitraum, doch was Expertinnen und Experten der Bertelsmann-Stiftung basierend auf der Statistik der Bundesagentur für Arbeit offenlegen, müsste jedem verantwortungsvollen Politiker die Schamesröte ins Gesicht treiben: Die Berechnung der Hartz-IV-Sätze genügt nicht für die Bedarfe der Kinder, so das Ergebnis der Forscher.

Das bisherige System, das sich am unteren Einkommensrand der Gesellschaft orientiert, reicht nicht für ein gutes Aufwachsen und Teilhabe an der Gesellschaft. Und je länger die Kinder in Armut leben, desto gravierender sind die Folgen: Sie wachsen isolierter auf, haben gesundheitliche Nachteile und häufiger Probleme auf dem Bildungsweg. Sie haben oft kein eigenes Zimmer und damit auch keinen Rückzugsort, beispielsweise um in Ruhe lernen zu können. Für außerschulische Bildung oder Hobbys fehlt das Geld. Insgesamt haben sie schlechtere Lernergebnisse und können ihre individuellen Begabungen nicht völlig entfalten.

Jeder weiß, ein verpatzter Start bei sportlichen Wettkämpfen ist in der Regel nicht mehr aufholbar, im schulisch-beruflichen Leben ist das nicht anders. Wer unter schlechteren Lernbedingungen startet, bringt schlechtere Ergebnisse, als er könnte. Und das ist das Traurige: Diese Kinder könnten es besser machen. Doch das Aufwachsen in Armut wird zur Chancenbremse. Sie leiden ihr Leben lang unter dem missglückten Start.

Mit Blick auf die langfristigen Folgen haben die aktuellen Zahlen ein besonders drückendes Gewicht: Von den rund 2 Millionen Kindern, die in finanzieller Armut aufwachsen, sind 57 Prozent zwischen 7 und 15 Jahren im Schnitt mehr als drei Jahre auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Viel zu lange, um da noch auf gleiche Chancen hoffen zu können.