Intensivschwester Dana Lützkendorf kann dem technischen Fortschritt im Krankenhaus viel abgewinnen, aber derzeit setzt sie sich vor allem für mehr Personal ein, das auch die beste Technik nicht ersetzen kann

Wenn sich die Tür zur Intensivstation 144 in der Berliner Charité hinter Dana Lützkendorf schließt, ist nicht mehr viel zu hören. Hier und da knarzen die bequemen Gummischuhe ihrer Kolleginnen und Kollegen auf dem Linoleum. Ansonsten wird die Ruhe der breiten Krankenhausflure nur durch das vielstimmige Piepen der automatischen Kreislaufüberwachung unterbrochen. Denn alle 18 Betten der Station 144 sind derzeit belegt. Hier werden vor allem Lungenerkrankungen behandelt. "Unsere Patienten müssen rund um die Uhr beobachtet werden," sagt die 39-jährige Intensivschwester und deutet auf zwei Monitore im Stationszimmer, über die viele kleine Kurven zittern.

Die Bildschirme hängen hoch über den Köpfen des Pflegepersonals und zeigen die sogenannten Vitalparameter der Patienten an. In Echtzeit werden die Blutdruckwerte, sowie Herzfrequenz, Körpertemperatur und Sauerstoffsättigung des Blutes sozusagen direkt vom Bett des Patienten in das Dienstzimmer übermittelt. Aber natürlich gibt es auch in jedem Patientenzimmer noch einen festen Computer-Arbeitsplatz. Denn auf den Intensivstationen der Charité wird digital dokumentiert, wie es den Patienten geht und welche pflegerischen Tätigkeiten notwendig sind.

Dazu arbeitet die Charité mit dem Patienten-Daten-Management-System Copra, auf das sowohl die Pflegekräfte als auch die Ärzte der Intensivstation Zugriff haben. In Copra werden neben den Vitalparametern auch ärztliche Anordnungen, die notwendige Medikation und entsprechende Dosierungen aufgezeichnet. Was zunächst einmal recht technisch klingt, stellt für Dana eine "enorme Arbeitsvereinfachung" dar. Seit 16 Jahren arbeitet sie als Intensivpflegerin und kennt noch die Zeiten, in denen die meisten dieser Arbeitsschritte und Daten analog festgehalten wurden, also per Hand auf Papier. Das kostete viel Zeit. So mussten Dana und ihre Kolleg/innen zum Beispiel jede Nacht eine 24-Stunden-Bilanz der stündlich zu vermerkenden Vitalparameter erstellen. Das Auswerten dieser Datenkurven dauerte allabendlich bis zu 30 Minuten je Patient.

Kein blindes Vertrauen in die Technik

"Heute kann ich die Bilanz ganz einfach in Copra ablesen. Denn das Programm zeichnet die Daten ja laufend auf. Das spart unheimlich viel Zeit", sagt die erfahrene Pflegerin. Dennoch, ein blindes Vertrauen in die Technik gebe es nicht. "Wir vergleichen auch heute noch stündlich, ob die Werte der einzelnen Messgeräte auch tatsächlich mit den Daten übereinstimmen, die uns in Copra angezeigt werden", sagt Dana. Ebenfalls in Copra wird dann "angeklickt", ob die Kontrolle erledigt wurde. Diese Information können alle Beteiligten sowohl im Dienstzimmer als auch am Bett des Patienten abrufen. Eine Kollegin in blauer Dienstkleidung eilt am Stationszimmer vorbei und ruft noch schnell eine Ergänzung zu Danas Bericht herüber.

Ein großer Vorteil von Programmen wie Copra sei auch die bessere Lesbarkeit von ärztlichen Anordnungen. Die Handschriften von Ärzten seien bisweilen so kryptisch, dass man früher auch mal einem Arzt hinterher laufen musste, um sich eine Anordnung entziffern zu lassen. Die Erinnerung daran lässt Dana in ihrem Bürostuhl schmunzeln. "Jetzt ist alles ganz eindeutig", sagt sie und zeigt auf den Bildschirm vor sich.

Die professionelle Ruhe, die Dana ausstrahlt, weicht auch bei der Frage nach einem möglichen Systemabsturz nicht: "Dann steigen wir kurzfristig wieder auf Papier um, gar kein Problem. Aber einen Ausfall habe ich tatsächlich nur ein einziges Mal erlebt, und zwar als das System vor vielen Jahren bei uns eingeführt wurde." Sollte die Technik doch mal Probleme bereiten, steht ein Notdienst von Copra parat. Zudem würden Sicherungskopien der Patientendaten auf einem zentralen Speicher erstellt.

Dana sieht sogar noch einen weiteren Vorteil in der Digitalisierung. Zwar wird nur auf den Intensivstationen der Charité mit Copra gearbeitet, aber in der gesamten Klinik wird ein übergeordnetes elektronisches Dokumentationssystem von SAP verwendet. So seien etwa Laborwerte über die Vernetzung der beiden Programme sehr schnell verfügbar. "Das ist ein Vorteil für die Patienten, denn so können wir zeitnah auf die Laborergebnisse reagieren. Diese vereinfachte Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Bereichen ist besonders in Notfällen komfortabel und macht die Behandlung noch sicherer", sagt Dana.

Trotz Fortschritts nicht mehr Zeit für Patienten

Sie hat sich inzwischen zu einer Runde durch die Intensivstation aufgemacht und blickt in den Aufnahmeraum, der in dieser Schicht noch nicht zum Einsatz kam. Das nüchtern zweckdienliche Zimmer strotzt nur so vor Technik: Touch-Screen-Monitore, wohin das Auge blickt, Infusomaten und vielerlei anderes medizinisches Gerät. All das will richtig bedient werden. "Natürlich sind hier ganz klar starke technische Kompetenzen gefordert, die für die jüngere Generation vielleicht etwas einfacher zu erwerben sind. Aber ohne regelmäßige Fortbildungen direkt an den Geräten geht es für niemanden von uns", sagt sie.

Aber was ist jetzt eigentlich mit der Zeit, die der technische Fortschritt dem Pflegepersonal verschafft? Die halbe Stunde pro Patient, die bei der 24-Stunden-Bilanz eingespart wird. Kommen diese 30 Minuten direkt den Patienten zu Gute? Dana zuckt leicht die Schultern: "Nein, leider nicht. Der Kontakt zu den Patienten war früher sogar etwas eingehender, als wir die Vitalparameter noch stündlich per Hand aufgezeichnet haben und dabei am Bett des Patienten standen." Die gewonnene Zeit, sagt Dana, würde von einem erhöhten Arbeitsaufwand für das Pflegepersonal verschlungen. Denn inzwischen könnten immer stärker ausgeprägte Krankheitsbilder behandelt werden. Das bedeutet nicht nur längere Liegezeiten der einzelnen Patienten, sondern erfordert vor allem eine zeitintensivere Pflege. Aber auch der generelle Personalmangel in der Pflege frisst Zeit. Für die heutige Nachtschicht zum Beispiel fehlen noch zwei Intensivpfleger auf Station 144.

Dana Lützkendorf

  • träumte schon in ihrer Kindheit davon, Krankenschwester zu werden
  • arbeitet seit 2001 als Intensivpflegerin auf der Intensivstation 144 der Charité
  • ist seit 2011 aktiv bei ver.di
  • ist seit 2012 Personalrätin an der Charité
  • machte 2013 noch ihr Diplom als Pflegepädagogin, denn "meinen aktuellen Job kann ich nicht bis zur Rente machen. Auch wenn ich mit Leib und Seele Krankenschwester bin"
  • ist seit Juni 2016 freigestellt für die Arbeit im Gesundheitsausschuss an der Charité, der die Umsetzung der neuen Tarifvertrags zu Mindestbesetzungen und zum Gesundheitsschutz überwacht