Ein Thema nur für Experten?

Henrik Müller war bis 2015 Redakteur der ver.di publik

Allein mit der Ankündigung ihrer Kampagne "Rente muss reichen" (ver.di publik 06_2016) haben ver.di und die anderen DGB-Gewerkschaften die Politik in Fragen von Altersvorsorge und Altersarmut ziemlich auf Trab gebracht. Auch die Regierenden scheinen zu spüren, dass es mit der Talfahrt des Rentenniveaus so nicht weitergehen kann. Aber CDU, CSU und SPD wollen unbedingt vermeiden, dass das Thema eine zentrale Rolle im Bundestagswahlkampf 2017 spielt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht gar Gefahren "für unsere Demokratie" in einem "Wahlkampf, wo es einen Überbietungswettbewerb gibt über unbezahlbare Lösungen".

Was will der Sozialdemokrat uns damit sagen? Dass die Wählerinnen und Wähler blindlings politischen Kräften hinterherlaufen, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen? Oder dass der "Souverän" in der Demokratie, die Wahlbevölkerung, solcherlei komplexe Systeme wie die Altersvorsorge gar nicht beurteilen kann und sowas lieber den "Experten" überlassen sollte? Ich behaupte das Gegenteil: Die große Mehrheit der Wahlberechtigten hat ein feines Gespür dafür, welches Wahlversprechen welcher politischen Gruppierung - auch und gerade hinsichtlich seiner "Bezahlbarkeit" - realistisch ist und welches nicht.

Warum also sollten die Wähler/innen im nächsten Herbst nicht auch die rentenpolitischen Konzepte der Parteien zu einem Kriterium ihrer Entscheidung machen dürfen? Dass eine bessere Altersvorsorge auch für sie selber mit höheren Kosten verbunden ist, wissen sie nur zu gut und nehmen es dennoch in Kauf. In einer repräsentativen Erhebung im Auftrag der Industriegewerkschaft Metall stimmten 49 Prozent der 18 bis 34 Jahre alten Befragten "voll und ganz" folgender Aussage zu: "Für eine höhere gesetzliche Rente, die meinen Lebensstandard im Alter annähernd sichert, wäre ich grundsätzlich auch mit höheren Rentenbeiträgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverstanden." Weitere 23 Prozent stimmten dem "eher" zu, lediglich 16 Prozent stimmten "überhaupt nicht zu". Und diese Leute fallen auf einen "Überbietungswettbewerb mit unbezahlbaren Lösungen" herein?

Bericht Seite 10, Interview Seite G1