Es könnte eines der größten Privatisierungsprojekte in Deutschland seit der Wiedervereinigung werden. Der Bund will von den Ländern die Autobahnen übernehmen. Dieses Eigentum soll nach einer Grundgesetzänderung unveräußerlich sein. Verwalten will der Bund sie durch eine privatrechtliche Gesellschaft. Diese Infrastrukturgesellschaft Verkehr kümmert sich unter anderem um Bau und Instandhaltung der Autobahnen.

Auch diese Gesellschaft soll der Bund nicht verkaufen können. "Doch über Tochtergesellschaften ist eine Teilprivatisierung nicht auszuschließen", warnt Nils Kammradt, Bereichsleiter Bund und Länder beim ver.di-Bundesvorstand. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske fordert daher, dass der Bund auch Alleineigentümer aller zu gründenden Tochterfirmen wird.

Wenn die Pacht fällig wird

Nach der bisher bekannten Konstruktion sollen auch Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) weiter zulässig sein. Dabei werden Aufträge an private Firmen vergeben und von ihnen finanziert, im Gegenzug zahlt die öffentliche Hand für die Nutzung dieser Verkehrswege auf viele Jahre eine Art Pacht. Rechnungshöfe von Bund und Ländern weisen allerdings immer wieder darauf hin, dass diese Form der Beschaffung meist weitaus teurer ist als die Finanzierung durch die öffentliche Hand, und das um so mehr in Niedrigzinszeiten wie den derzeitigen. Für den Bund ist ÖPP aber eine Möglichkeit, die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, vorangetriebene Schuldenbremse zu umgehen, nach der öffentliche Haushalte ohne die Neuaufnahme von Schulden ausgeglichen sein sollen.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass private Firmen Rendite machen sollen mit dem Betrieb von Autobahnen, die von den Steuerzahlern finanziert worden sind", sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Die Linke. Auch der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Anton Hofreiter, spricht sich in der gemeinsamen Pressemitteilung mit Bsirske und Ramelow dafür aus, diese "Formen der Privatisierung kategorisch auszuschließen".

ver.di lehnt die Grundgesetzänderung ebenso wie die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr ab. Sie macht sich für den Erhalt der öffentlichen Straßenbauverwaltung stark. Die bisherige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sollte reformiert, aber nicht durch eine neue Struktur ersetzt werden. Sollten Bund und Länder an der Ausgliederung festhalten, könnte diese auch über eine Gesellschaft in öffentlicher Trägerschaft erfolgen.

Die Beschäftigtenfrage

Unklar ist auch, was mit den Beschäftigten in den Straßenbauverwaltungen geschieht. In einem Entschluss haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass der Übergang sozialverträglich sein soll. Für ver.di sind allerdings noch viele Fragen ungeklärt. Das zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Pieper will Sicherheit für die Beschäftigten: durch einen Überleitungstarifvertrag und durch einen Tarifvertrag auf Basis des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD) im Bund.

Mit der Gründung der neuen Infrastrukturgesellschaft geht die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen einher. Aus ver.di-Sicht ist das gesamte Paket durchaus mit den Föderalismusreformen I (2006) und II (2009) zu vergleichen. Allerdings wurde dieses Mal auf Expertenkommissionen und öffentliche Debatten komplett verzichtet.