Erste Tarifverhandlung ohne Angebot

Überrascht war wohl niemand aus der ver.di-Tarifkommission, als die Arbeitgeber der Versicherungswirtschaft beim ersten Verhandlungstermin Ende März Zuflucht zu den üblichen Ritualen nahmen: kein Angebot, statt dessen die Erörterung der wirtschaftlichen Lage und wortreiche Schilderungen der Probleme der Branche. Vor allem die Botschaft: Die Tariferhöhungen der letzten Jahre seien zu hoch; nur Reallohnzurückhaltung schaffe und erhalte Arbeitsplätze.

"Das lief erwartungsgemäß", so ver.di-Sekretärin Martina Grundler. Die Arbeitgeber spielten auf Zeit, um möglichst spät zu einem Abschluss zu kommen und erst mal einige Nullmonate durchzusetzen, in denen den Beschäftigten kein Cent mehr gezahlt wird. Kosten, die auf die Arbeitgeber tatsächlich zukommen, vor allem die notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe in die IT-Systeme, die aus der Digitalisierung folgen - "diese Probleme versuchen sie, auf dem Rücken der Beschäftigten zu lösen", sagt Grundler. "Und nur dort!" Dass die Branche jedoch alles andere als notleidend ist und in den letzten Jahren hohe Dividenden auszahlen konnte, dass die meisten Unternehmen viel Geld eingenommen haben, "das lassen sie in ihrer Argumentation weg".

Was ver.di fordert

Die Gehaltsforderungen von ver.di seien eher bescheiden, stellt Martina Grundler fest. ver.di fordert für die rund 170.000 Versicherungsangestellten zweierlei: einmal die Erhöhung der Löhne und Gehälter inklusive Zulagen um 4,5 Prozent, 50 Euro mehr für die Azubis und zusätzliche 80 Euro pro Monat für ver.di-Mitglieder. Überdies will ver.di einen Tarifvertrag Digitalisierung durchsetzen, in dem auch der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2020, Rechtsansprüche auf Altersteilzeit und ein Qualifizierungsfonds für Bildungsmaßnahmen gesichert werden sollen.

Dass die Digitalisierung die Unternehmen Geld kosten wird, ist unumstritten. "Doch was passiert in dem Prozess mit den Beschäftigten?", fragt Martina Grundler. Der Anspruch von ver.di sei, die Arbeitsbedingungen so zu organisieren, "dass es gute Arbeit ist". Dass die einschneidenden Veränderungen sozial verträglich ablaufen und der Umbruch tariflich geregelt wird. Betriebliche Lösungen einzeln mit den Betriebsräten auszuhandeln, wie von den Arbeitgebern gewünscht, ist auch für die Betriebsräte keine Perspektive, denn daraus ergäbe sich ein Wettbewerb zwischen den Unternehmen um die schlechtesten Arbeitsbedingungen und die größten Sparerfolge auf Kosten der Beschäftigten. Bei ver.di organisierte Betriebsräte haben am 4. April eine Onlinepetition für Betriebsräte ins Netz gestellt. (www.initiative-zukunftstarifvertrag.de)

Vor der zweiten Verhandlungsrunde am 5. Mai wollen die Arbeitgeber nun ihre Forderungen an einen neuen Manteltarifvertrag formulieren. Ob dann schon ein konkretes Angebot von ihnen kommt, ist unklar. Jedenfalls steht auch der dritte Verhandlungstermin schon fest; es ist der 2. Juni - freilich ohne Garantie auf einen Abschluss. ver.di geht davon aus, dass es zwischen der zweiten und der dritten Runde Warnstreiks geben wird, falls dann noch kein Fortschritt bei den Verhandlungen zu erkennen ist.

Und der Außendienst?

Schwieriger wird die Situation dadurch, dass parallel die Tarifrunde für die Beschäftigten des Versicherungsaußendienstes läuft - oder eben nicht läuft. Das Angebot der Arbeitgeber beim bisher einzigen Verhandlungstermin kurz vor Weihnachten 2016 war für ver.di inakzeptabel: eine Gehaltserhöhung von nur knapp über einem Prozent in zwei Stufen und noch dazu eine Vertragslaufzeit von 33 Monaten mit Nullmonaten zu Beginn und in der Mitte der Zeit - real eine Absenkung der Gehälter. Einen neuen Verhandlungstermin gibt es noch nicht. "Wir versuchen, den Tarifkonflikt des Außendienstes in den Konflikt im Innendienst hineinzuziehen", so Grundler. "Gemeinsame Aktionen wären gut."

Claudia von Zglinicki