ver.di-Projekt "(UN)Befristet" in Aktion vor der Handelskammer

Seit drei Jahren ist das Thema befristete Beschäftigung einer der Schwerpunkte bei ver.di Hamburg. Kein Wunder, liegt die Freie und Hansestadt Hamburg doch im Bundesdurchschnitt mit an der Spitze bei dieser Form der prekären Beschäftigung. Laut dem Statistikamt Nord arbeitet jeder zehnte Beschäftigte in Hamburg mit einem befristeten Arbeitsvertrag.

Befristung, das heißt fast immer Unsicherheit für die Betroffenen. Ob am Arbeitsplatz, wo Befristete erwiesenermaßen öfter krank zur Arbeit kommen und nicht so schnell "aufmucken", man möchte ja entfristet werden, oder im privaten Leben, wo Vermieter und Bank ihnen freundlich zu verstehen geben, dass Wohnung und Kreditvertrag bei Vorliegen eines befristeten Arbeitsverhältnisses ungern beziehungsweise gar nicht vergeben werden. Befristete haben schlechte Karten. Auch fragen sich junge Frauen und Männer, ob ein Kind zu einer Zeit zu verantworten ist, in der sie nur befristet beschäftigt sind.

Nun aber hatte das ver.di-Projekt "(UN)Befristet" Erfolg. Gewerkschaftliche Vertrauensleute, aber auch Betriebs- und Personalräte haben mit öffentlichen und betrieblichen Aktionen Druck auf Wirtschaft und Politik gemacht, um den Befristungswahn in Hamburg zu stoppen. Vor allem die sachgrundlosen Befristungen, bei denen nicht wegen eines Bedarfs an beispielsweise Schwangerschafts- oder Krankheitsvertretung, sondern eben grundlos befristet wird, standen im Zentrum der Kritik.

Zwar ließ sich im Bereich der privaten Wirtschaft gegen die Befristung wenig machen, da dazu das bundesweite Teilzeit- und Befristungsgesetz geändert werden müsste, aber im öffentlichen Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg konnte etwas erreicht werden. Bereits im Koalitionsvertrag 2015 war das Thema aufgenommen und durch einen Bürgerschaftsantrag im letzten Jahr weiter vorangeschoben worden. Anfang dieses Jahres hat der rot-grüne Senat dann endlich gehandelt.

Im Wege einer Mitteilung des Personalamtes wurden im März alle Behörden, Ämter und Landesbetriebe angewiesen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Arbeitsverträge mit sachgrundlosen Befristungen mehr abzuschließen. Bereits laufende Befristungen sollen regelmäßig überprüft und für den Fall, dass kein Sachgrund existiert, entfristet werden. Gleichzeitig wurden die Behörden und Ämter angewiesen, bei den Zuwendungsempfängern auf eine gleiche Verfahrensweise hinzuwirken.

Viele der Beschäftigten fragen sich jedoch, für wen die Regelung des Senates letztendlich gelten soll? Das wissenschaftliche Personal, das nach dem Wissenschaftszeitgesetz beschäftigt ist, wurde leider im Vorfeld bereits ausgeschlossen. Aber was ist beispielsweise mit den öffentlichen Unternehmen und ihren Tochtergesellschaften?

Wer könnte die Frage besser beantworten als der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, SPD? ver.di publik fragte den Bürgermeister zu den aktuellen Maßnahmen des Senates gegen den Befristungswahn:

ver.di PUBLIK: Herr Scholz, befristete Jobs bedeuten für die so Beschäftigten oft Unsicherheiten im Leben und am Arbeitsplatz. Stehen diese Beschäftigungsformen in Hamburg und bundesweit nicht konträr zu einem Fachkräftemangel und einem nachhaltigen Personalaufbau in Wirtschaft und Verwaltung?

Scholz: Ja, so sehe ich das auch. Das befristete Arbeitsverhältnis darf in einer funktionierenden Verwaltung oder in einem funktionierenden Betrieb nicht der Regelfall sein. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen unbefristete Arbeitsverträge.

ver.di PUBLIK: Ungefähr jeder zehnte Hamburger arbeitet laut Statistikamt Nord in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Der Senat hat für die Hansestadt eine restriktive Befristungspraxis beschlossen. Was soll sich in Hamburg ändern?

Scholz: Bei der Stadt sind es viel weniger. Aber das ist kein Grund, die Dinge zu lassen, wie sie sind. Die Freie und Hansestadt Hamburg als größter Arbeitgeber der Stadt möchte ein deutliches Zeichen setzen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis für unsere Beschäftigen der Regelfall sein soll. Wenn ein Arbeitsverhältnis befristet wird, muss dafür ein sachlicher Grund vorliegen. Und das ist nur sehr selten wirklich der Fall. Die Zahl der befristet beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird weiter zurückgehen.

ver.di PUBLIK: In einer Anweisung zur Einschränkung von Befristungen spricht das Personalamt vom Einflussbereich der Freien und Hansestadt Hamburg. An welche Unternehmen wendet sich das Schreiben neben der Kernverwaltung im Öffentlichen Dienst? Sind die Tochterunternehmen von öffentlichen Unternehmen oder beispielsweise Kindertagesstätten auch in die Regelungen eingeschlossen?

Scholz: Die Regelung des Personalamtes über den Abschluss von Zeitverträgen gilt für alle Neueinstellungen in der Kernverwaltung, also in den Behörden, Ämtern und Landesbetrieben. Die zuständige Senatskommission bereitet derzeit eine vergleichbare Regelung für öffentliche Unternehmen und deren Tochtergesellschaften vor. So sind wir 2012 auch bei der Neuregelung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern vorgegangen. Damals ging es um den Grundsatz "equal pay", also gleiche Bezahlung. Außerdem wurde die Leiharbeit in der Verwaltung und in den öffentlichen Unternehmen deutlich reduziert. Beschäftigte der Freien und Hansestadt Hamburg sollen grundsätzlich auch bei der Stadt angestellt sein, und zwar im Regelfall unbefristet.

ver.di PUBLIK: SPD, LINKE und GRÜNE haben aktuell erklärt, sachgrundlose Befristungen durch eine Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes abschaffen zu wollen. Sehen Sie in der Hamburger Initiative den Auftakt für eine Änderung?

Scholz: Die sachgrundlose Befristung muss abgeschafft werden. Ich halte eine solche Gesetzesänderung für dringend geboten.