Joe Bausch: Gangsterblues

Als kauzigen Rechtsmediziner kennt man Joe Bausch aus dem Kölner „Tatort“, im wahren Leben ist der 65-Jährige aber Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl. Als solcher ist er für die dort einsitzenden Mörder, Betrüger, Vergewaltiger oder Räuber nicht nur „der Doc“, sondern häufig auch die gesprächsbereite Vertrauensperson, wenn die schweren Jungs schon mal von ihren Dämonen heimgesucht und vom Gangsterblues übermannt werden. Bausch hat gemeinsam mit dem Journalisten Bertram Job einige dieser Lebensbeichten aufgeschrieben; nicht als mehr oder minder spektakuläre „Fälle“, sondern – fiktionalisiert und anonymisiert – nicht ohne Empathie für oft tragische Schicksale in knapp und lakonisch erzählten Kurzgeschichten. Wohliger Voyerismus ob gruseliger Verbrechensdetails wird nicht bedient, wohl aber gibt es tiefe Einblicke in die Tristesse des Knastalltags und dessen vielschichtige Machtstrukturen, manche sachliche Information gibt’ s dazu. Von Gewalt und Brutalität, von Schuld und Unschuld, von Rache, Wut und Angst handeln diese Geschichten, immer wieder berührt der Respekt, mit dem Bausch seinen Patienten begegnet und versucht, manch Sterbenskranken würdig zu verabschieden. Ulla Lessmann

ULLSTEIN EXTRA, 237 S., 20 €


Michal Hvorecky: Troll

Willkommen in den sozialen Medien: Es wird gelogen, manipuliert und gehetzt. Bezahlte Trolle verunglimpfen Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen oder die Regierung kritisieren. Der slowakische Autor Michal Hvorecky hat einen brisanten, extrem schnellen Roman geschrieben. Der Plot spielt in naher Zukunft: Die EU gibt es nicht mehr, stattdessen hat sich im Osten ein autoritäres „Reich“ mehrerer Staaten formiert. Dort werden Künstler, Oppositionelle und die schwächsten Glieder der Gesellschaft systematisch fertig gemacht. Der namenlose Held dieser Antiutopie versucht mit seiner Freundin, das System von innen heraus zu überlisten. Die beiden verbreiten zunächst ebenfalls Hass und Lügen, um nicht aufzufallen. Insgeheim arbeiten sie jedoch daran, die Spirale der Desinformation zu beenden. Michal Hvorecky, der sich in seiner Heimat für Demokratie und Pressefreiheit einsetzt, kennt zahlreiche Beispiele von politisch motivierten Troll-Attacken aus eigener Erfahrung. Er zeigt souverän und schockierend, wie stark der Einfluss der Medienmanipulation in Osteuropa geworden ist. Das Unfassbare daran: Sein Szenario ist teilweise schon Realität. Günter Keil

TROPEN VERLAG 2018, AUS DEM SLOWAKISCHEN VON MIRKO KRAETSCH, 216 S.,18 €


Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip

Wie verändert sich die Rolle der Frau in Zeiten von konservativen Populisten wie Trump? Und wie darauf reagieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich US-Erfolgsautorin Meg Wolitzer in ihrem aktuellen Roman und kommt damit zur rechten Zeit. Sie erzählt die Geschichte von Greer, einem begabten, aber schüchternen Mädchen, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen in den 90er-Jahren an der Ostküste. An der Uni begegnet sie Faith Frank, einer Ikone der Frauenbewegung. Die wird ihre Mentorin und gibt ihr einen Job in ihrer Stiftung. Greer lernt ihre Talente zu entfalten, sie blüht regelrecht auf. Bis sie merkt, dass hier etwas oberfaul ist: Betrug, Korruption, darüber Hinwegsehen, dass große Ziele kleineren geopfert werden. Da macht Greer nicht mit. Sie schmeißt hin, gründet eine Familie und schreibt einen Bestseller über ihre Erfahrungen. Als zentrale Botschaft ruft sie Mädchen und Frauen zu: Steht auf! Seid laut! Lasst euch nichts wegnehmen, wofür unsere Mütter und Großmütter so hart gekämpft haben! Und ansonsten lebt euer Leben, ganz so, wie ihr es wollt! Ein wichtiges Buch, sowieso, und in diesen Zeiten noch einmal mehr. Tina Spessert

DUMONT, ÜBERS. H. AHRENS, 495 S., 24 €