Charlotte Brandi: The Magician

Me & My Drummer sind nicht mehr. Das ist sehr schade. Charlotte Brandi macht als Solistin weiter. Das ist sehr schön. Dass es so überwältigend schön werden würde wie auf The Magician, das allerdings war kaum zu erwarten. Oder dann eben doch. Schließlich hatte die Sängerin, Pianistin und Songschreiberin schon mit ihrem verblichenen Duo-Projekt demonstriert, dass sie weitläufige Pop-Epen komponieren, arrangieren und interpretieren kann. Dass die Wahlberlinerin von der Theatermusik kommt, das ist auf diesem ersten Solo-Album deutlich zu hören, wenn Songs wie „A Sting“ im Überfluss mit üppigen Melodien ausgestattet sind, wenn die Melancholie von „Jenny In Spirit“ ohne Reue übermäßig mondän gerät, wenn das melodramatische „Where The Wind Blows“ das emotionale Breitwandformat problemlos ausfüllt. Dass Brandi aber eben auch eine große Sensibilität für Pop besitzt, sorgt dafür, dass die großen Gesten niemals zum Kitsch verkommen. Unnahbar oder verletzlich? Diva oder beste Freundin? Brandi lässt dieses Spannungsverhältnis virtuos in der Schwebe. Thomas Winkler

CD/VINYL, PIAS/ROUGH TRADE


Sleaford Mods: Eton Alive

Wenn Jason Williamson loslegt, wenn er schimpft und spuckt, agitiert und wütet, dann kann man seinem Englisch, das zudem noch von seiner Herkunft aus den Midlands geschwängert ist, nicht völlig folgen. Aber man muss ja nicht immer alles verstehen, und in diesem Fall ist es der radikale Tonfall, die Wut in der Stimme, die mehr erzählen als tausend Worte. Man fragt sich bisweilen eh, warum der Rapper der Sleaford Mods überhaupt Musik macht und nicht einfach auf die nächstbeste Barrikade steigt, um dort oben seine Tiraden zu halten. Aber dank seines musikalischen Partners Andrew Fearn, der ihm die ebenso brutalen wie mitreißenden Beats unter die bösartigen Monologe zimmert, steht er heute eben nicht bloß auf einer Kiste am Speakers’ Corner im Hyde Park, sondern auf ziemlich großen Bühnen. Auf dem fünften Album der Sleafords Mods sind die Themen: die Adipositas-Seuche, die Arroganz der Eliten, die Selbstgerechtigkeit der Politik und die allgemeine Sinnlosigkeit des Seins. Die Grundaussage: Wir werden sowieso verarscht. Der Grat zwischen Arbeiterklassen-Furor und Wutbürgertum, zwischen Rebellion und populistischem Die-da-oben-sind-alle-doof ist schmal – aber noch stürzt Williamson nicht ab. Thomas Winkler

CD/VINYL, EXTREME EATING/CARGO


Salif Keita: Un Autre Blanc

Schätzungen zufolge wird einer von 5.000 Afrikanern als Albino geboren und ist damit Opfer sozialer Ausgrenzung. Im schlimmsten Fall droht ihm sogar der Tod, denn noch immer hält sich in diversen afrikanischen Gesellschaften hartnäckig der Aberglaube, dass Albinos Unglück über die Gemeinschaft bringen. Ein Außenseiter ist Salif Keita wegen seines Albinismus von Geburt an. Der stimmgewaltige Sänger aus Mali nutzt als weltweit bekannte Ikone der afrikanischen Populärmusik seine Prominenz schon lange dazu, um gegen die anhaltenden Vorurteile und Übergriffe gegen Albinos anzugehen. In diesem Zusammenhang steht auch der Titel von Salif Keitas neuer CD: Un Autre Blanc (Ein anderes Weiß, ein anderer Weißer). Afropop im Dienste der Aufklärung, die bei Keita auch Themen wie den Klimawandel und den Schutz der Umwelt und der Ressourcen einschließt. Gast ist unter anderem der südafrikanische Zulu-Chor Ladysmith Black Mambazo, der schon Mitte der Achtziger Paul Simons Albumlegende Graceland veredelte. Peter RixenCD, NAÏVE/SOULFOOD