Mitte Februar gingen unter anderem hunderttausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Ausstand

Seit Monaten sieht sich Portugals sozialistische Regierung mit einer Serie von Arbeitskämpfen konfrontiert. Gestreikt wird für mehr Geld und gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Unterschiedliche Berufsgruppen verschaffen ihren Forderungen deutlich Nachdruck. Ein Mitte Dezember 2018 beigelegter fünfwöchiger Ausstand der Hafenarbeiter von Sétubal brachte den Export von Fahrzeugen der VW-Tochter Autoeuropa auf dem Seeweg ins Stocken. Zu größeren Arbeitsniederlegungen und Protesten kam es auch beim Personal der U-Bahnen von Lissabon und Porto, bei Justizbediensteten, Polizisten und den Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste.

Am europaweiten Streik des fliegenden Personals der Billigairline Ryanair waren Flugbegleiter und Piloten aus Portugal beteiligt. Nicht zuletzt wehren sich die Pflegekräfte und OP-Schwestern an den öffentlichen Krankenhäusern fortgesetzt gegen schlechte Löhne, lebenslang stagnierende Karrieren und die notorische Unterfinanzierung des Gesundheitssektors. Die Verhandlungen der Gewerkschaften und Berufsorganisationen mit der Regierungsseite verlaufen zäh.

Das Jahr 2019 steht im Zeichen einer weiteren Intensivierung der Kämpfe in Portugal für mehr soziale Sicherheit. Mitte Februar folgten Hunderttausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einem Aufruf der beiden großen gewerkschaftlichen Dachverbände CGTP-Intersindical und UGT zu einem eintägigen landesweiten Ausstand. Fast sämtliche Schulen und viele Behörden blieben geschlossen. Unter den Angestellten im Staatsdienst ist die Unzufriedenheit groß. Zwar wurden die Mindestgehälter dort im vergangenen Jahr angehoben, eine allgemeine Steigerung der Bezüge hat es aber bereits seit einem vollen Jahrzehnt nicht mehr gegeben.

Der Mindestlohn reicht weiter nicht

Weitere gewerkschaftliche Aktionen sind für die kommenden Monate angekündigt. Sie richten sich auch gegen Teile einer Novelle des Arbeitsrechts, deren Verabschiedung durch die Versammlung der Republik im Laufe des Frühjahrs erwartet wird. Danach soll unter anderem eine längere Befristung von Stellen möglich sein. Arménio Carlos, Vorsitzender der kommunistisch beeinflussten CGTP, kritisiert das Vorhaben. Der Kampf um Tarifverträge werde weiter erschwert. Carlos fordert, dass Unternehmen, die auf befristete Verträge statt auf fest Beschäftigte setzen, eine Sonderabgabe an die Sozialversicherung leisten müssen.

Gegenüber den Jahren der tiefen Krise um 2011, als Portugal unter dem Druck der Akteure an den internationalen Finanzmärkten stand und dem Staatsbankrott nah war, haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich gebessert. Seit November 2015 regie- ren die Sozialisten unter Premier António Costa auf der Basis eines mit dem Linksblock, den Kommunisten und den Grünen geschlossenen Tolerierungsabkommens – und in gutem Einvernehmen mit dem konservativen Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa. Den Rotstift legte man beiseite, einige Kürzungen der Vorgängerregierung wurden rückgängig gemacht und so die Binnenkaufkraft und der soziale Zusammenhalt gestärkt.

Allerdings spielen externe Faktoren wie der niedrige Ölpreis und der Tourismusboom eine wichtige Rolle für die Konjunktur in dem ressourcenarmen Land. Auch im zurückliegenden Jahr konnte sich Portugals Ökonomie weiter erholen. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik INS wuchs die Zahl der Erwerbstätigen um 2,3 Prozent. Die Arbeitslosenrate sank zum Jahresende unter 7 Prozent. Arbeitslosenhilfe erhält allerdings nur jede*r dritte Erwerbslose. Erst zu Beginn dieses Jahres wurde der gesetzliche Mindestlohn auf 600 Euro heraufgesetzt. Eine dreiviertel Million Portugiesen erhält auch nicht mehr als diesen. Und damit weiterhin zu wenig zum Leben, finden sowohl CGTP und auch die den regierenden Sozialisten nahe stehende UGT.

Neben der Europawahl am 26. Mai stehen in Portugal am 6. Oktober Parlamentswahlen an. Zwei Wochen zuvor entscheiden die Bewohner der Autonomen Region Madeira über die neue Zusammensetzung der regionalen Legislative. Trotz anhaltend guter Popularitätswerte sollten sich die Regierenden in Lissabon nicht zu sicher fühlen. Viele Wähler*innen sehen die Wahlversprechen längst nicht als eingelöst an, spüren weiter die Folgen der Krise. Sie wollen, dass es nicht nur in den Kassen der Unternehmen wieder klingelt. Während das Leben teurer wird, ist prekäre Arbeit in vielen Bereichen – besonders im Tourismus, der Gastronomie und in der Leichtindustrie – weiterhin die Regel.

Jede*r Dritte befristet

Und: Zeitarbeit zu schlechten Konditionen boomt, mehr als 400.000 Portugiesen sind auf dieser Basis beschäftigt. Nach Schätzungen mehr als eine Million – und damit fast jeder dritte Lohnempfänger – hat nur einen befristeten Job. Unter den Jüngeren bis 25 Jahre ist mehr als die Hälfte betroffen. Ihrer Lage gilt eine große „Demonstration der arbeitenden Jugend“ in Lissabon am 28. März. Den Jahrestag der Nelkenrevolution von 1974 am 25. April und den Maifeiertag wollen die Gewerkschaften ebenfalls nutzen, soziale Forderungen auf die Straße zu tragen.