Aldous Harding: Designer

Bitte Vorsicht! Aldous Harding, ihres Zeichens Folk-Sängerin aus Neuseeland, ist nicht nett. Aber wer ihr zuhört, bekommt eine Ahnung davon, wo es musikalisch hingeht mit den ernst dreinblickenden jungen Leuten heutzutage. Harding, noch nicht ganz dreißig Jahre alt, singt Schauriges zu Klampfe und Klavier. Ihre Alt-Stimme ist zerklüftet, ihre Texte verschroben. Ihr Gesicht bei Liveauftritten wahlweise grimassierend oder – wie zuletzt im Berliner Mai – im Grunde nicht zu erkennen. Sorry, zu langer Pony.Sie macht es einem also nicht leicht, diese Aldous Harding. Und doch ist es spannend, ihr und ihrer Musik zu lauschen. Denn langweilig ist sie nie. Gerade hat Harding ihr drittes Album veröffentlicht. Auf Designer versammelt sie neun neue Songs, die sich – wieder einmal – deutlich unterscheiden von den vorhergehenden. War auf dem Album Party von 2017 noch sehr viel Drama, verpackt in kompliziert strukturierte Arrangements und garniert mit Loops und Wildvogelschreien, geht es nun auf Designer geradezu milde zu. Die melodiösen Tracks sind erneut produziert von John Parish, dem Gottvater des Indierock. Aldous Harding, geboren 1990 als Hannah Harding im neuseeländischen Hippie-Städtchen Lyttelton unweit von Christchurch, spielt unverzagt mit weiblichen Identitäten. Dem Impuls, sie beschützend an die Hand zu nehmen, erteilt sie mit Wumms eine Absage. In ihren selbst inszenierten Videos zeigt sie sich unberechenbar. Mal hantiert sie – wie in Blend – mit lächelndem Mund, harten Augen und einem Revolver. Dann wieder besingt sie in Horizon die Beziehung zu ihrer Mutter, der Folksängerin Lorena Harding: Antipodisch stehen sich die beiden Frauen gegenüber. Wer dabei nicht weint, hat kein Herz.

Auch für das neue Album hat die begabte Aldous Harding Videos produziert. Wie sie in The Barrel mit deckenhohem Strohhut und auf geflochtenen Plateauschuhen singt und posiert, lässt erkennen, was das Besondere an dieser Frau ist: das gekonnt Performative, das die eigenen Gefühle ernst nimmt, ohne das Groteske zu verleugnen. Dem Deutschlandfunk hat sie kürzlich gesagt, sie wolle, dass sich „alle, die meine Kunst ansehen, stark fühlen“. Die Menschen sollten etwas spüren. Weiß Gott, man spürt etwas, wenn man Aldous Harding aus Lyttelton zuhört und zusieht. In ihrer Stimme, ihren Augen, ihren Bewegungen: der gerade noch so kontrollierte Exzess. Das ist eine ganze Menge in zusehends verdrucksten Zeiten. Anja Maier

CD, 4ad/Beggars Group/Indigo


Bonaparte: Was mir passiert

Die Globalisierung hat keinen allzu guten Ruf, und das vollkommen zu Recht. Geht es aber um die schönen Künste, zeitigt es durchaus positive Effekte, dass die Welt zum Dorf zusammenschnurrt. Neuestes Beispiel: Bonaparte. Das Projekt um den Schweizer Wahlberliner Tobias Jundt, der eine prägende Rolle spielte beim Aufstieg vom Provinz-Kaff an der Spree zum weltweit geliebten Party-Hotspot, erfindet sich mit seinem sechsten Album Was mir passiert vollkommen neu – nicht nur, weil er erstmals auf Deutsch textet. Jundt reiste nach Abidjan an der Elfenbeinküste und spielte dort – fasziniert von der vibrierenden Aufbruchstimmung, die ihn an das Berlin der Nullerjahre erinnerte – zusammen mit lokalen Musikern Songs ein, die einerseits afrikanisch klingen, andererseits aber auch in einem europäischen Club funktionieren können, und greift dann auch noch Themen aus aktuellen, sehr deutschen Diskussionen auf. Mal kritisiert er – ohne Zeigefinger, aber immer poetisch – Konsumterror und Neoliberalismus, singt – übrigens zusammen mit Bela B. und Farin Urlaub von Die Ärzte – über digitale Gefahren oder hinterfragt Geschlechterrollen: „Ich wein‘ nicht, weil ich weinen muss/Ich weine, weil ich kann.“ Wir hingegen weinen vor Freude über diese Musik. Thomas Winkler

CD, Columbia/Sony


Hazmat Modine: Box of Breath

Mundharmonika und Sousaphon – zwei Instrumente, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Doch bei Hazmat Modine funktioniert das ohne Probleme. Steht die Harmonika für Roots-Music und Blues, dann ist das Sousaphon der Repräsentant für Groove und Funk à la New Orleans. Die siebenköpfige New Yorker Kultband, die sich auch durch improvisationsfreudige Bläser und eine richtig agile Rhythmusgruppe auszeichnet, hat sich über etliche Tourneen eine weltweite Fangemeinde erspielt – von Europa über Asien bis nach Australien. Nicht etwa durch gelackten Mainstream, sondern durch ihre authentische und zugleich moderne Verkörperung der großen Blues- und Roots-Tradition. Wie die New Yorker den aus dem westafrikanischen Mali stammenden Balafon-Spieler Balla Kouyate einbinden, spricht für die Universalität ihres Konzepts. Dass sowas zudem komplett ohne Elektronik auskommt, wird so manchen überraschen. Hier ist stattdessen noch alles echtes Hand- und Mundwerk. Rustikal und verschwitzt und dennoch auf der Höhe der Zeit. Peter Rixen

CD, Jaro Medien