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Michael Fischer leitet den Bereich Politik und Planung bei ver.diKay Herschelmann

Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)" ist die größte, älteste überparteiliche und überkonfessionelle Orga- nisation antifaschistisch Engagierter in Deutschland. 1947 wurde sie von Überlebenden der Gefängnisse und Konzentrationslager gegründet, darunter Sozialdemokrat*innen, Christdemokrat*innen und Kommunist*innen: Auf dass sich so etwas wie Nazi-Deutschland und der Holocaust nie wiederhole. Den bayerischen Landesverband der VVN-BdA stuft der bayerische Verfassungsschutzbericht allerdings als "linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus" ein und unterstellt dem Verband Demokratiefeindlichkeit. Diese bundesweit einzigartige Einschätzung nahm das Berliner Finanzamt für Körperschaften zum Anlass, Anfang November der Bundesvereinigung der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit zu entziehen und Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe zu erheben.

Keine vier Wochen nach dem antisemitischen Anschlag in Halle ein unfassbarer Vorgang. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und die hohe Nachforderung gefährden die Existenz der VVN-BdA unmittelbar. Öffentlich entsteht der Eindruck, dass Antifaschismus nachrangig und im Zweifelsfall nicht förderungswürdig ist, während in der Öffentlichkeit und in Parlamenten der Faschismus wieder relativiert und Fremdenhass geschürt wird.

"Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!", schrieb die Auschwitz-Überlebende und VVN-BdA-Ehrenvorsitzende Esther Bejarano in einem offenen Brief an den Bundesfinanzminister. Denn zuvor haben Finanzämter schon Attac und Campact wegen Beeinflussung politischer Willensbildung die Gemeinnützigkeit entzogen. In Zeiten wie diesen brauchen wir dringend eine Abgabenordnung, die eine aktive Zivilgesellschaft für eine lebendige und vielfältige Demokratie unterstützt, anstatt ihr Knüppel zwischen die Beine zu werfen.