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Leonard Cohen: Thanks for the Dance

Wenn die ersten Worte erklingen, zuckt man automatisch zusammen. Thanks for the dance, singt Leonard Cohen, und man weiß nicht nur, dass der Sänger tot ist, man hört es auch deutlich: Seine legendär markante, einst so samtene Stimme klingt brüchig, verblüht, vergangen – wie aus dem Grab. So ist dieses Album ein bisweilen morbides Vergnügen: Nicht nur ist Cohen auf diesen neun neuen Tracks, die er in den Monaten vor seinem Tod im November 2016 einzuspielen begonnen hat und die sein Sohn Adam postum beendet hat, bereits vom nahen Tod gezeichnet, er kennt auch kaum ein anderes Thema. Der 82-Jährige singt von Engeln, von dunklen Häusern, von Liebsten, die bereits gegangen sind, von verblassten Erinnerungen. Die Arrangements der Lieder, bei denen die beiden Cohens Hilfe von den Indie-Ikonen wie Beck und Leslie Feist bekommen haben, scheinen ebenso in Ehrfurcht erstarrt wie der Zuhörer: Mehr als eine zart gezupfte Gitarre, ein vorsichtig angeschlagenes Klavier gibt es selten zu hören. Die Instrumente scheinen sich eher ängstlich zu verstecken, um Platz zu machen für den letzten dramatischen Auftritt einer der allergrößten Stimmen in der Geschichte der Popmusik.

Thomas Winkler

CD, Sony Music

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Jewish Monkeys: Catastrophic Life

Wer dachte, jüdische Musik beschränke sich auf die Klezmer-Tradition des osteuropäischen Judentums oder auf die Werke von Komponisten wie George Gershwin, verkennt die Vielfalt der internationalen jüdisch geprägten Musikszene und dürfte mit den Jewish Monkeys eine ordentliche Überraschung erleben. Denn das charakteristische Merkmal dieser famosen Band aus Tel Aviv ist sein aus dem jüdischen Kabarett stammender, derber und selbstironischer Humor in Verbindung mit der wilden Attitüde einer Punk-Band. Das Septett präsentiert sich anarchistisch wie die Marx Brothers, legt immer schön den Finger in die Wunde und nennt die Dinge beim Namen – auch wenn's weh tut. Damit sind die Monkeys ausgerechnet in Deutschland erfolgreich. Statt in vermeintliche Klezmer-Seligkeit verpacken die Jewish Monkeys ihre tabulosen Grenzüberschreitungen auf ihrem neuen, dritten Album in einen wilden Stilmix aus Afrobeat, Reggae, E-Gitarre, Funk-Gebläse und Balkan-Groove. Ein Fest für Juden und Nichtjuden! Peter Rixen

CD, Greedy for Best Music/Indigo

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Omar Souleyman: Shlon

Früher lebte Omar Souleyman in Syrien an der Grenze zur Türkei. Er arbeitete als Hochzeitssänger, fast jedes seiner Engagements wurde dokumentiert, die Aufnahme den frisch Vermählten geschenkt und später auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Mehrere Hundert Alben hat Souleyman so mit der typischen Dabke-Folklore aufgenommen. Aber Syrien liegt in Trümmern, der 53-Jährige lebt in der Türkei, statt für Brautgesellschaften singt er beim Friedensnobelpreiskonzert in Norwegen und arbeitet mit Björk oder Damon Albarn. Aus dem Helden unzähliger Hochzeiten ist ein internationaler Popstar geworden. Aber auch nach acht Jahren Bürgerkrieg kennen die Lieder auf seinem Album Shlon nur ein einziges Thema: Unverdrossen besingt Souleyman die Schönheit der Frauen und das Versprechen der ewigen Liebe. Darunter allerdings liegen kräftig pumpende, sehr westliche Techno-Beats, die auch in einem Berliner Club bestehen würden. So zerrissen klingt sie also, die Diaspora, und Souleymans Musik wird, trotz der euphorischen Melodien, die er singt, doch zum Soundtrack der Tragödie seiner Heimat. Thomas Winkler

CD, Mad Decent/Because Music/Caroline International