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Fotos: Kniel Synnatzschke/ plainpicture

Alle Jahre wieder taucht in sogenannten Fachmedien dieselbe Meldung auf, nur mit jeweils hochaktuellen Forschungsergebnissen aufgepeppt: Die deutschen Arbeitnehmer*innen seien erschreckend unmotiviert. Jede*r Vierte gehe lustlos ins Büro. Millionen hätten innerlich gekündigt. Noch mehr beschränkten sich auf Dienst nach Vorschrift. Basierend auf einer jüngsten internationalen Studie des dänischen Unternehmens Peakon wird Deutschland vom Nachrichtenmagazin Spiegel gar als "Frustweltmeister" gekürt. In irgendeinem Bereich muss man schon weltführend sein.

Hochmotiviert sind allerdings jene Berater*innen, die derartige Daten an Unternehmen verkaufen und ihnen vorrechnen, welche Kosten die Motivationskrise verursacht. Demnach schlägt die grassierende Lustlosigkeit in übermäßig viele Krankheitstage und Effizienzverlust um. Profite in Millionenhöhe gingen auf diese Weise verlustig, ein Argument, das die Aufmerksamkeit der Chefetagen selbstredend mehr erregt als menschenfreundliche Sorgen um die Unlust der Mitarbeiter*innen. Dass es sich dabei um höchst professionelle Analyse handelt, soll mit allerlei Anglizismen wie etwa "Employee Net Promoter Score" nahegelegt werden. Auffällig ist vor allem, wie ökonomische Fragen auf die Psychologie verschoben werden. Gefragt wird etwa nicht, ob ein Job gut bezahlt ist, sondern ob sich die Mitarbeiter "fair entlohnt fühlen". Laut Studie sind es nur 15,5 Prozent. Für Fairness und Gefühle ist jedoch nicht die Lohn- abteilung zuständig, sondern das Kommunikationsmanagement.

Ebenfalls ausgeblendet wird die Idee der kollektiven Interessenvertretung, von Selbstbestimmung ganz zu schweigen. Mit dem Motivationsgerede wird das Arbeitsverhältnis individualisiert. Ob enthusiastisch oder lustlos – jeder Beschäftigte steht im Betrieb für sich alleine da. Laut Unternehmensberatern denkt er nur an das Eine: Er will "sich selbstverwirklichen" – für Paketzulieferer, Supermarktkassiererinnen oder Beschäftigte in Call-Centern keine einfache Aufgabe. Doch auch in anderen Branchen verwischt die Motivationsfrage die Grenze zwischen Beruf an sich und konkreten Arbeitsbedingungen. Das hochmotivierte Anliegen, kranke Menschen zu heilen, und die Unzufriedenheit mit der Krankenhausmisere sind schwer übereinzubringen. Egal, für alle Probleme verweisen "Community Manager" auf die Patentlösung: Unternehmen müssen Anreize schaffen. Zum Beispiel "Müllsammelaktionen im Team". Angesichts solch inspirierter Vorschläge ahnen wir schon, dass das Geschäft mit der Demotivation noch prächtige Jahre vor sich hat. Guillaume Paoli