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Geballte ver.di-Macht: streikende Busfahrer*innen in HusumFoto: ver.di

Wer im Norden zu Beginn des Jahres die Busse des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) nutzen wollte, der oder die sah sich öfter mal wehenden Fahnen und Transparenten gegenüber. Nahezu zeitgleich wurde in getrennten Verhandlungen mit den jeweiligen Arbeitgeberverbänden für die kommunalen und die privaten Anbieter verhandelt. Gemeinsam war diesen Runden auch, dass sie äußerst zäh verlaufen sind.

Verbessertes Angebot

Während sich ver.di Ende Februar mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Schleswig-Holstein auf einen Abschluss für die öffentlichen Busunternehmen verständigen konnten, standen die Verhandlungen mit dem Omnibus Verband Nord (OVN) für die privaten Anbieter bei Redaktionsschluss kurz vor dem Scheitern. Sollten die Arbeitgeber nicht ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen, will ver.di eine Urabstimmung und in der Folge unbefristete Streiks einleiten.

"Bei uns sind viele streikbereit", sagt Nils Holger Fischer, Betriebsratsvorsitzender bei Autokraft (AK) Husum. Die Tochter der Deutschen Bahn AG bestreitet mit 107 Beschäftigten den Busverkehr in Nordfriesland. Die Busfahrer*innen dort verdienen rund 300 Euro weniger im Monat als Kolleg*innen mit vergleichbaren Tätigkeiten, die nach dem entsprechenden Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) bezahlt werden.

Deswegen sind die Forderungen, die die Tarifkommission von ver.di Ende vergangenen Jahres aufgestellt hat, klar und übersichtlich. Zwei Euro mehr pro Stunde, Erstattung des Jahresbeitrags für die gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtung GUV/Fakulta in Höhe von 21 Euro und eine neue vierte Tarifgruppe, in der Fahrer*innen eingruppiert werden, die mindestens fünf Berufsjahre aufweisen können. Ihre Erfahrung soll mit mindestens 100 Euro mehr im Monat entlohnt werden.

Doch die Arbeitgeber argumentieren, es sei kein Geld vorhanden. Das kann Nils Holger Fischer nicht nachvollziehen. Viel werde in Technik investiert, in neue Fahrzeuge, in den Ausbau von Linien – aber für das Personal sei angeblich kein Geld vorhanden. "Wir finden keine neuen Leute mehr", sagt Fischer. Früher sei ein Job bei Autokraft wie ein Sechser im Lotto gewesen. Jahrelange Sparmaßnahmen zu Lasten der Beschäftigten hätten die Arbeit unattraktiv gemacht. Dadurch steige die Belastung für die Beschäftigten.

Da sorgen Aussagen der Arbeitgeber, die geforderte neue Tarifgruppe sei nicht nötig, weil ältere Beschäftigte nicht mehr leistungsfähig seien, für ein weiteres Ansteigen der Streikbereitschaft. "Das ist bitter angekommen", hat Fischer beobachtet. Auch dass die Arbeitgeber nach ersten Warnstreiks Ende Februar zu einem vereinbarten Verhandlungstermin nicht erschienen sind, ließ den Unmut weiter wachsen. Ihre bisherigen Angebote würden weiteren Reallohnverlust bedeuten, und das in einer Branche, in der das derzeit gezahlte Entgelt nach 45 Arbeitsjahren in Vollzeit Altersarmut bedeutet. "Die Auseinandersetzungen haben uns weiter zusammengeschweißt", sagt Nils Holger Fischer zum Zusammenhalt unter den Kolleg*innen.

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ver.di-Sekretär Sascha Bähring (l.) nimmt Streikgeldanträge entgegenFoto: ver.di

Kommunale Unternehmen

Für die Beschäftigten bei kommunalen Busunternehmen gab es Ende Februar eine Einigung im TV-N. Rückwirkend zum 1. Januar 140 Euro mehr, zum 1. Juni 2021 werden weitere 115 Euro zusätzlich gezahlt. Auch den GUV/Fakulta-Beitrag übernimmt der Arbeitgeber. "Mit Geschlossenheit und Kampfkraft kann man gute Tarifergebnisse erzielen", sagt ver.di-Verhandlungsführer Karl-Heinz Pliete.

Ganz zufrieden ist Stephan Junge, Betriebsratsvorsitzender bei Aktivbus Flensburg und Mitglied der ver.di-Tarif- wie auch Verhandlungskommission, nicht. Immerhin sei ver.di mit einer Forderung von 2,06 Euro mehr pro Stunde in die Verhandlungen gegangen. Dennoch habe ver.di im Vergleich zu den Vorjahren diesmal viel erreicht.

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Aufwertung für einen schweren JobFoto: ver.di

Schwer vereinbar

Die Probleme der Beschäftigten sind im kommunalen Bereich ähnlich wie im privaten. Schichtdienst, Arbeit an Wochenenden und Feiertagen, durch geteilte Schichten Abwesenheiten von insgesamt 12, 13 Stunden – all das mache die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwer, sagt Junge. Bezahlt werde ein Einstiegsgehalt von 2.648 Euro brutto. Deswegen sei es schwierig, neue Fahrer*innen einzustellen. Durch gezielte Werbemaßnahmen bis hin zur Finanzierung des benötigten Führerscheins sei Aktivbus in der Fördestadt zwar noch "gut aufgestellt", aber rosig sehe er die Zukunft nicht. Für sicherlich auch notwendige Investitionen sei Geld da, aber die Arbeitgeber vergessen die Beschäftigten, klagt der Betriebsratsvorsitzende.

Denn die jetzt ausgehandelte Tariferhöhung mussten die Beschäftigten hart erkämpfen. Unter anderem waren sechs Streiktage nötig, soviel wie schon lange nicht mehr. An diesen Tagen ruhte der Busverkehr in Flensburg – mit Ausnahme der Linien, auf denen ohnehin Subunternehmen eingesetzt werden. Die Fahrgäste habe man bereits im Vorfeld über die Bedingungen informiert, unter denen die Fahrer*innen arbeiten müssen, daher sei man trotz der Ausfälle auf viel Verständnis gestoßen.

Dennoch seien die Verhandlungen sehr zäh verlaufen, die Arbeitgeber hätten immer wieder auf die angeblich schlechte wirtschaftliche Lage kommunaler Unternehmen verwiesen. Letztendlich mussten sie nachgeben. Durch die Streiks und Aktionen wurde der Zusammenhalt unter den Beschäftigten weiter gestärkt. "Wir sind nochmals ein Stück näher zusammengerückt", sagt Stephan Junge. Viele Kolleg*innen hätten sogar an ihren freien Tagen an den Streiks teilgenommen.

Im Sommer stehen Verhandlungen über den Manteltarifvertrag an. Dabei hoffen ver.di und die Beschäftigten auf weitere Verbesserungen.

Das tun auch die Beschäftigten der privaten Busunternehmen im Norden. Für sie entscheidet sich in diesen Tagen, ob die privaten Arbeitgeber im OVN doch noch einsichtig werden, oder ob die Beschäftigten und ver.di den Druck nach einer erfolgreichen Urabstimmung mit unbefristeten Streiks weiter erhöhen müssen.

Hier wurde gestreikt

Streikende von folgenden Betrieben beteiligten sich bislang im ver.di-Bezirk Schleswig-Holstein Nordwest an Warnstreiks und Aktionen:

Öffentlicher Dienst, TV-N: Aktiv Bus Flensburg Private Unternehmen (Omnibus Verband Nord, OVN): Autokraft (AK) Flensburg, Fördebus Flensburg, Rhode Flensburg, AK Husum, Verkehrsbetriebe Schleswig-Flensburg (VSF) Schleswig, Rohde Bredstedt, Norddeutsche Verkehrsbetriebe (NVB), Bredstedt, AK Rendsburg, Rohde Rensburg, DRN Heide, AK Meldorf und bei einzelnen Sub-Unternehmen