N02_HR_43078717.jpg
Von wegen nachhaltig: Hier ist nur die Tarnung ökoFoto: Steffen/dpa

Die Bundeswehr hat Ende Januar eine Auszeichnung erhalten: "Der goldene Ausbeuter". Den Negativpreis ausgelobt hat ein breites Bündnis, an dem sich auch ver.di beteiligt. Grund für die Trophäe: Deutsche Soldaten tragen Hosen und Hemden, bei deren Produktion Arbeitsrechte verletzt wurden. Die Vorwürfe basieren auf Recherchen der Christlichen Initiative Romero (CIR). Sie arbeitet mit einer tunesischen Menschenrechtsorganisation zusammen, die in den Pausen und nach Schichtende Arbeiterinnen interviewt hat, die in Tunesien Tarnkleidung fürs deutsche Militär genäht haben. Sie berichteten, dass in ihrer Fabrik Gewerkschaftsmitglieder zum Austritt gedrängt wurden. Zudem hätten Spitzel dafür gesorgt, dass der Arbeitsdruck auf missliebige Beschäftigte erhöht wurde und sie die gesetzlich vorgeschriebenen Zusatzzahlungen nicht bekamen.

Standards verbessern statt aussortieren

Die untersuchte Fabrik gehört dem deutschen Unternehmen Leo Köhler in Hessen. Die auf Camouflage-Klamotten spezialisierte Firma hat früher nach eigenen Angaben bis zu 400.000 Kleidungsstücke jährlich an die Bundeswehr geliefert. Die Beschaffungsstelle des Militärs schweigt darüber, ob sie weiter bei dem mittelständischen Unternehmen bestellt, nachdem die CIR sie 2018 erstmals mit Informationen über die Arbeitsrechtsverletzungen konfrontiert hatte. "Unser Ziel ist ja nicht, dass einzelne Lieferanten aussortiert werden, sondern dass sich die Standards in den Fabriken und der Branche insgesamt verbessern", stellt Christian Wimberger von der CIR klar. Doch so oder so ist zu bezweifeln, dass die Wäsche für die Bundeswehr inzwischen unter sauberen Bedingungen produziert wird. Schließlich verlangt das zuständige Bundeswehr-Bekleidungsmanagement von Lieferanten lediglich eine Bestätigung, dass sie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation einhalten. "Die Unternehmen werden auf den Verhaltenskodex verpflichtet, sie müssen aber keine bestimmten Maßnahmen erfüllen oder Nachweise erbringen", sagt Uwe Wötzel von ver.di.

Solche Selbstauskünfte sind in vielen Fällen nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Darauf weisen Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen seit Jahren hin. Immerhin hat die Bundesregierung 2015 ein Maßnahmenprogramm verabschiedet, damit staatliche Verwaltungen künftig sozialer und ökologischer einkaufen. Das Ziel hieß, "2020 möglichst 50 Prozent der Textilien nach ökologischen und sozialen Kriterien zu beschaffen". Eine Kompetenzstelle, bei der sich die staatlichen Einkäufer*innen informieren können, ist inzwischen eingerichtet. Doch eine Verpflichtung, solche Faktoren bei Ausschreibungen einzubeziehen, gibt es auf Bundesebene nicht. Ebenso fehlen der Leitfaden und ein Stufenplan, um das Ziel umzusetzen.

"Fünf Jahre sollten wohl reichen, um eine solche Ankündigung in die Tat umzusetzen", meint Markus Schwarz von der Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland. Seine Organisation hat in einem offenen Brief an die Bundesregierung kritisiert, dass das zugesagte 50-Prozent-Ziel in diesem Jahr wohl kaum noch eingehalten werden kann, und angemahnt, Stufenplan und Leitfaden endlich vorzulegen. Mitte Februar kam die Antwort: "Bei der Finalisierung des Leitfadens haben sich Fragen ergeben, die derzeit erörtert werden", schreibt das Bundeskanzleramt. Es sei "ungewiss", ob es in diesem Jahr schon was werde mit den Nachhaltigkeitskriterien beim Textileinkauf. Diskutiert werde über eine allgemeine Verwaltungsvorschrift für Textilien. Ein Datum, wann es endlich konkret wird, nennt das Bundeskanzleramt allerdings nicht.