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Foto: Your Photo Today

"Weniger ist mehr" – diesen nicht ganz logischen Titel wählte im Sommer 2019 die Bertelsmann-Stiftung, um eine Studie zur Optimierung der Gesundheitsvorsorge vorzustellen. Das aktuelle System leide nämlich unter erschreckenden "Überkapazitäten". Zu viele Betten, zu viele Krankenhäuser, die "aufgeblähte" Struktur habe einen chronischen Personalmangel zur Folge – doch deswegen wurde nicht etwa empfohlen, mehr Fachkräfte einzustellen. Hauptsächlich gehe es ja um Wirtschaftlichkeit. Woher solle denn das Geld kommen, um die dezentrale Struktur langfristig zu finanzieren? Das Fazit konnte eindeutiger nicht ausfallen: Die Zahl der Kliniken von aktuell knapp 1.400 auf "deutlich unter 600 Häuser" senken! Darüber seien sich ohnehin alle Fachleute einig, zum Beispiel die Leopoldina-Wissenschaftler, die drei Jahre zuvor ein ähnliches Gutachten veröffentlicht hatten. Der Konsens nimmt nicht wunder: In den verschiedenen Gremien sitzen zum Teil dieselben Experten, und die sind mehr für ihre neoliberale Ausrichtung als für ihre medizinische Kompetenz bekannt. Bliebe nur noch, die um ihre Gesundheit besorgte Bevölkerung zu überzeugen. Wie durch Zufall fiel mit der Bertelsmann-Studie eine ARD-Sendung zusammen: "Krankenhäuser schließen – Leben retten?"

Dann kam die Covid-19-Pandemie. Der Grund, weshalb sie in Deutschland bisher relativ glimpflich ausfällt, ist offensichtlich: Zum Glück sind die Krankenhauskapazitäten noch nicht im selben Maße kaputtgespart worden wie in Frankreich oder Italien. Haben die Kahlschlagpropagandisten deswegen Asche auf ihr Haupt gestreut? Nein, nach wie vor behauptet die Bertelsmann-Stiftung, die Qualität der Versorgung würde mit weniger Betten steigen. Und ausgerechnet die Leopoldina wird in der Corona-Krise von Angela Merkel zu Rate gezogen, darunter zwei Wirtschafts"wissenschaftler", die unter dem Motto "Die Krise nachhaltig überwinden" solch geradezu gesundheitsfördernde Empfehlungen abgeben wie "Rückzug des Staates" und "Festhalten an der Schuldenbremse". Derzeit hört man oft, es müssten aus der Corona-Pandemie Lehren für die Zukunft gezogen werden. Nie wieder dürfe die Daseinsvorsorge dem blinden Rentabilitätskalkül geopfert werden. Eine erste praktikable Maßnahme in diese Richtung wäre es doch, all die Berater zu entlassen, die so beharrlich und willentlich falsch gelegen haben.