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Foto: De santis/Panthamedia

Einmal fragte mich ein Besucher aus Sierra-Leone, warum es in Berlin kein Hitler-Denkmal gebe. Er hatte in der ganzen Stadt danach gesucht und zu seiner Verwunderung keins gefunden. Meine Antwort, Hitler sei doch ein Massenmörder gewesen, leuchtete ihm nicht ein. Schließlich, sagte er, befänden sich in ganz Europa Statuen von Männern, die ihre Berühmtheit ihren bösen Taten verdankten. Daran musste ich mich erinnern, als in mehreren Ländern anlässlich antirassistischer Proteste angefangen wurde, Statuen von Sklavenhändlern und Kolonialschlächtern zu stürzen – darunter die des belgischen Königs Leopold II, der ja für die Vernichtung von bis 10 Millionen Kongolesen verantwortlich war. Kommentatoren, die sich diesbezüglich über Vandalismus empören, würde ich gern die Frage meines afrikanischen Freundes stellen. Normalerweise gehen Stadtbewohner an Denkmälern vorbei, ohne sie zu bemerken. Touristen wissen nicht, welche Figur sie da fotografieren. Erst wenn ihre Präsenz im öffentlichen Raum angefochten wird, verdeutlicht sich die historische Bedeutung unverdienter Ehrenmale. Die eigentliche Frage stellt sich dennoch nach dem Sturz: Was soll aus der Plastik werden? Wird nicht mit ihr auch ein Stück Geschichte begraben? Es folgen dann endlose Debatten über die beste Art, sie doch weiterhin öffentlich zugänglich zu machen, nur diesmal im Dienst der Erinnerungskultur.

Das funktioniert nicht immer einwandfrei. Dank des Filmes "Goodbye Lenin" ist die Entfernung der gigantischen Lenin-Skulptur aus Berlin-Friedrichshain in Erinnerung geblieben. Damals protestierten übrigens Anwohner gegen die aus dem Westen verordnete Ausradierung der DDR-Geschichte. Jahrelang lagen dann die zerteilten Stücke tief in einem Forst begraben, bis irgendwann der Vorschlag kam, Lenins Granitkopf zu bergen und auszustellen. Nur war inzwischen der Schädel von unter Naturschutz stehenden Zauneidechsen bewohnt, für deren Umsiedlung langwierige Maßnahmen getroffen werden mussten. Seit einiger Zeit wird der Kopf des russischen Revolutionärs nun nebst hundert ebenfalls entfernten Statuen (immerhin sind keine Hitler-Skulpturen dabei) in der Zitadelle Spandau ausgestellt. Bleibt die Frage, ob Wladimir Iljitsch mit der Gegenwart vergessener Heldenfiguren des preußischen Militarismus besser gedient ist, als unterirdisch mit der Gesellschaft der Eidechsen. Guillaume Paoli