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Beim Mindestlohn ist noch viel Luft nach obenFoto: ThomasKöhler/photothek/imago

Der Mindestlohn soll weiter steigen – erst einmal bis auf 10,45 Euro pro Stunde ab Mitte des Jahres 2022. Darauf hat sich die Mindestlohnkommission Ende Juni verständigt. Damit wurde nach zähem Ringen in dem Gremium ein Kompromiss erreicht, eine Anhebung in insgesamt vier Schritten. In zwei Jahren dann, bis zum 30. Juni 2022, muss die Mindestlohnkommission sich auf eine Empfehlung verständigt haben, wie es mit der Entwicklung der Lohnuntergrenze im Jahr 2023 weitergehen soll.

Die Mindestlohnkommission der Bundesregierung hat neun Mitglieder, neben dem Vorsitzenden Jan Zilius und zwei Wissenschaftler*innen gehören ihr je drei Vertreter*innen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer an. Zu letzteren zählt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Alle zwei Jahre legt die Kommission bis spätestens zum 30. Juni einen Bericht vor und gibt eine Empfehlung für die Lohnuntergrenze in den folgenden beiden Jahre ab.

"Allen Beteiligten ist klar, dass es sich dabei um einen Kompromiss handelt, an dessen Ende aber immerhin eine deutliche Erhöhung steht, die den betroffenen Beschäftigten Verlässlichkeit gibt", kommentierte Kocsis die Ende Juni erreichte Einigung. Doch die gewerkschaftliche Forderung geht deutlich über die 10,45 Euro hinaus. Auf mindestens 12 Euro pro Stunde hatte sich der ver.di-Bundeskongress Ende September vergangenen Jahres festgelegt.

Mechanismus überdenken

Eine Forderung, hinter der die Gewerkschaften auch weiterhin stehen. Der Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Jan Zilius, hatte dagegen Mitte Juli vor einem in seinen Augen zu schnellen Anstieg der Lohnuntergrenze auf 12 Euro gewarnt. Anlass war für ihn die Äußerung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, dass nach der vorgesehenen Anhebung auf 10,45 Euro schneller 12 Euro pro Stunde erreicht werden müssten. Er wolle im Herbst Vorschläge zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und zur Stärkung der Tarifbindung vorlegen, hatte der Minister Ende Juli angekündigt.

Derzeit orientiert sich die Empfehlung für den Mindestlohn an der Lohnentwicklung hierzulande, so ist es im Gesetz vorgesehen. Heil will sich diesen Mechanismus genauer ansehen. Er könne sich eine stärkere Koppelung an den Median, das mittlere Durchschnittseinkommen, vorstellen.

Die Gewerkschaften begrüßen diese Ankündigung. Sie hatten bereits im vergangenen Jahr gefordert, diese Vorgabe zu ändern. 2018 verdiente nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund ein Viertel der Beschäftigten, also rund 10 Millionen Menschen, weniger als zwölf Euro pro Stunde. Besonders prekär war die Situation in den ostdeutschen Bundesländern. Hier bekommen 36,7 Prozent der Beschäftigten weniger als 12 Euro pro Stunde, an der Spitze liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 38 Prozent.

Eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat ergeben, dass sich eine solche Anhebung positiv auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken würde. Zugleich verwiesen sie auf Studien aus den USA, die gezeigt hätten, dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf 60 bis 66 Prozent des Medianlohns ohne negative Auswirkungen auf die Beschäftigung möglich ist", schreiben die Wissenschaftler*innen des IMK in einer Pressemitteilung.

In der EU gibt es Bestrebungen, in den Mitgliedsländern Mindestlöhne einzuführen, die bei 60 Prozent des jeweiligen Median-Lohns liegen sollen. Damit ist der mittlere Lohn in dem jeweiligen Land gemeint. Deutschland kommt dabei derzeit nur auf 45,6 Prozent – und liegt im EU-Vergleich damit am unteren Ende des Rankings.

Entwicklung des Mindestlohns

Einführung zum 1. Januar 2015 8,50 Euro pro Stunde

Höhe derzeit: 9,35 Euro

Geplante Erhöhung

1. Januar 2021: 9,50 Euro 1. Juli 2021: 9,60 Euro 1. Januar 2022: 9,82 Euro 1. Juli 2022: 10,45 Euro