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Ein kleines Bächlein namens Duden fließt durch ihren OrtFoto: Stefan Boness/Ipon

Berlin – Ende Februar beginnt die Unterschriftensammlung für die zweite Runde des Berliner Volksbegehrens "Deutsche Wohnen & Co enteignen". Innerhalb von vier Monaten müssen mehr als 170.000 gültige Unterschriften zusammenkommen. Gelingt das, können die Berliner*innen am Tag der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl, die beide für den September geplant sind, auch über die "Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen" abstimmen.

220.000 Unterschriften angepeilt

"Wir bereiten mit Hochdruck die Sammlung vor", sagt Kalle Kunkel von der Initiative des Volksbegehrens. "Nicht ganz einfach in Zeiten des Corona-Lockdowns, denn jede Unterschrift muss handschriftlich geleistet, kann nicht etwa digital abgegeben werden." Deshalb haben die Initiator*innen in den zurückliegenden Wochen daran gearbeitet, dezentral zu sammeln.

Mehr als 300 Menschen seien in sogenannten Kiezteams aktiv, die ab Monatsende für die Beteiligung am Volksbegehren werben werden, so Kalle Kunkel. Dabei müssten angesichts der Pandemie viele Details beachtet werden, wie etwa ausreichend desinfizierte Kugelschreiber zur Verfügung zu stellen und die Abstände an den Infoständen zu wahren. Angepeilt werden 220.000 Unterschriften, weil nach bisherigen Erfahrungen mit Sammlungen für Volksbegehren etliche ungültige, unlesbare oder doppelt geleistete Signaturen zusammenkommen.

Bei der Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" geht es darum, die Wohnungsbestände der privaten Wohnungsunternehmen mit 3.000 und mehr Wohnungen in Berlin nach Artikel 15 Grundgesetz zu vergesellschaften und in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen. Anlass für diesen Vorstoß sind die seit Jahren extrem steigenden Mieten in der Hauptstadt, die insbesondere von den großen, oft börsennotierten Privatunternehmen getrieben werden.

Die Unternehmen sollen entschädigt werden. Dabei sei aber, so heißt es im Beschlusspapier, die "Höhe der Entschädigung (…) nach Sinn und Zweck des Art. 15 des Grundgesetzes deutlich unterhalb des Verkehrswertes anzusetzen". Auf diese Weise ließen sich die Kosten der Enteignung später aus den Mieteinnahmen zurückzahlen; der Landeshaushalt werde nicht belastet, heißt es auf der Internetseite dwenteignen.de.

In der ersten Stufe für das Volksbegehren kamen 2019 rund 77.000 gültige Unterschriften zusammen. Damit war die Hürde für den Start der zweiten Phase der Initiative locker genommen worden. Allerdings benötigte der Berliner Senat mehr als ein Jahr zur Prüfung, bevor er im vergangenen Herbst das Volksbegehren für zulässig erklärte.

Der ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg und der Bezirk Berlin unterstützen das Vorhaben. "Durch die Profitorientierung großer Immobilienunternehmen und die damit verbundenen Mietsteigerungen ins Unermessliche können sich immer weniger Menschen das Wohnen in Berlin leisten", sagt Benjamin Roscher, ver.di-Landesfachbereichsleiter Besondere Dienstleistungen und somit auch für die Wohnungswirtschaft zuständig.

Für eine soziale Wohnungspolitik

Im Beschlusspapier zur Unterstützung von "Deutsche Wohnen & Co enteignen" des ver.di-Bezirks Berlin heißt es: "Neben Neubau und weiteren gesetzlichen Regulierungen des Wohnungsmarktes ist die Wiedereingliederung von 'privatem' Wohneigentum in Landeseigentum ein wichtiger Schritt, um Mieten zu senken und eine soziale Wohnungspolitik zu ermöglichen."

Außerdem könne so auch die Mitbestimmung gestärkt werden. Im Gegensatz zu den kommunalen Unternehmen in der Wohnungswirtschaft sei keiner der privaten Immobilienkonzerne tarifgebunden, sagt Roscher. "Mit der Rekommunalisierung gehen wir selbstverständlich davon aus, dass dann für die Beschäftigten der Flächentarifvertrag der Wohnungswirtschaft sowie die Mitbestimmung nach Personalvertretungsgesetz umgesetzt werden."

Kommen in diesem Frühjahr genügend Unterschriften für die Initiative zusammen, ist der Berliner Senat aufgefordert, das Volksbegehren in einen "Gesetzentwurf zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen" umzusetzen. Sollte sich die Prüfung wieder über ein Jahr ziehen, kann das also noch dauern.