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Gemeinsam gegen Ungleichheit. Natürlich auch am 8. März, dem Internationalen FrauentagFoto: Stefan Boness

ver.di publik: Ihr beide gehört zum sogenannten Support Team #feminism der ver.di Jugend. Was macht dieses Team denn?

Marie Ostwald: Die ver.di Jugend setzt sich jährlich ein Schwerpunktthema, und 2020 war das der Feminismus beziehungsweise #feminism. Dazu wurde die Support Crew ins Leben gerufen. Wir haben da verschiedene Dinge erarbeitet, Seminare, aber auch Infomaterial, Broschüren und Merch, und uns damit auseinandergesetzt, wie die ver.di Jugend 2020, aber auch darüber hinaus an dem Thema Feminismus arbeiten kann, um es stärker in der Gewerkschaft zu verankern.

Sophie Vosselt: Als Corona noch nicht so stark war, haben wir uns in Hannover getroffen und überlegt, wie kann man bezirksübergreifend was machen und generell Leute dafür begeistern, sich mit dem Feminismus auseinanderzusetzen. Während des Lockdowns haben wir uns dann in Arbeitsgruppen aufgeteilt und per Zoom getroffen, um den jeweiligen Status abzufragen und zu gucken, wie es jetzt weitergehen kann. Jetzt kommen immerhin schon mal neue Tassen, Beutel mit neuem Logo und eine Broschüre mit Texten über die Frage: "Was ist Feminismus?" Wir haben uns auch überlegt, wie wir andere Frauen empowern können. Ein Fokus dabei war: Wie gehe ich mit sexueller Belästigung um, wo kann ich mich in Betrieb oder den Universitäten hinwenden?

ver.di publik: Seid ihr – trotz der Corona-Einschränkungen – mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden?

Sophie: Was wir uns vorgenommen hatten, haben wir eigentlich auch erreicht, bis auf die Präsentation des Themas in Hochschulgruppen oder Betrieben. Da sind wir wegen Corona noch nicht so weit, wie ich mir das gewünscht hätte.

ver.di publik: Welche Themen waren für euch zentral?

Marie: Für mich war die Frage wichtig, wie wir feministische und gewerkschaftliche Kämpfe in Zukunft besser verbinden können. Corona hat auch die Chance eröffnet, den Bereich "Arbeiten im Caresektor" und Feminismus thematisch mehr zu verbinden. Wir haben alle gemerkt, unter welchen krassen Bedingungen die Menschen im Krankenhaus arbeiten, aber auch in den Kitas und anderen Carebereichen. Für uns als Gewerkschaft ist wichtig, das Thema auch politisch-feministisch zu bearbeiten und damit über das Lohnforderungsmuster hinauszukommen.

ver.di publik: Durch die Corona-Einschränkungen bleibt gerade wieder viel an den Frauen hängen, die arbeiten, die Kinder betreuen und beschulen müssen – alles auf einmal. Was kann ver.di da jetzt konkret tun?

Marie: Wichtige Voraussetzungen wurden in der Vergangenheit schon geschaffen, Stichwort Berliner Charité, Stichwort Entlastung. Da gab es Arbeitskämpfe, bei denen das Problem mehr in den Vordergrund gerückt ist, und wo es gelungen ist, über die Lohnforderung hinauszugehen. Darauf kann man gut aufbauen, indem man mehr Kontakte zu feministischen Bündnissen knüpft und sie konkret in die Arbeitskämpfe einbindet. Ich bin selbst feministisch aktiv und versuche das immer mit gewerkschaftlichen Themen zu verbinden, mit Kolleginnen ins Gespräch zu kommen, Veranstaltungen zu den Themen Frauenstreik, Carearbeit zu machen. Aber mit den Veranstaltungen ist es dieses Jahr halt immer noch schwierig. Ich hoffe, dass wir möglichst bald eine Podiumsdiskussion mit gewerkschaftlichen Vertreter*innen, die wegen des Lockdowns ausgefallen ist, im Sommer nachholen können. Das Thema Care-Arbeit ist heute viel präsenter als vor dem Lockdown. Es wäre schön, da gestärkt draus hervorzugehen.

ver.di publik: Wie seid ihr als Studierende zu ver.di gekommen?

Sophie: Meine Familie war schon immer gewerkschaftlich aktiv, vor allem die Frauenseite. Vor zwei Jahren wollte ich ehrenamtlich was machen, und dann wurde mir gesagt, hey, ver.di ist richtig was für dich, komm doch mal zum Treffen. Und das hat mich so fasziniert, dass ich regelmäßig zu den Arbeitstreffen der ver.di Jugend gegangen bin. Zum einen fand ich die Leute toll, ich habe mich super mit unserer Jugendsekretärin verstanden, und sie hat den Kontakt zu mir gehalten. Und vor allem hat mir die kreative Arbeit gefallen. Wir produzieren zum Beispiel eine einstündige Radio-Show: Radio ver.di-Welle OS 1 104,8. Ich fand es interessant zu lernen, wie man gute Informationen an die Leute bringt.

ver.di Publik: Was gibt es da zu hören in eurer Sendung?

Sophie: Wir suchen uns für jede Sendung ein Thema raus und unterhalten uns darüber, etwa über die Tarifrunde im öffentlichen Dienst oder auch den Frauentag. Da haben wir im letzten Jahr nur Musik von Frauen gespielt und über die Situation weiblicher Künstler*innen geredet. Und auch über Songs wie Ed Sheeran's "Shape Of You", der war da gerade voll angesagt. Wir haben geredet, was so ein Song aussagt, und ob wir als Frau eigentlich so repräsentiert werden möchten, obwohl der Song ganz cool ist.

Marie: Ich bin im Frühjahr 2017 über Leute aus meiner WG und über politisch aktive Freunde zu ver.di gekommen. Was mich so gecatched hat, war die Bildungsarbeit. Ich studiere Soziologie und interessiere mich für sozialpolitische Themen, und habe dann gemerkt, was es eigentlich für ein krasses Bildungsangebot in der Gewerkschaft gibt. Das hat mich in die gewerkschaftliche Arbeit reingebracht. Vorher wusste ich nicht so recht, wo mein Platz in der Gewerkschaft sein kann als Studentin. Heute bin ich bezirklich und landesamtlich aktiv.

ver.di publik: Welches Angebot hat dich besonders gereizt?

Marie: In meinem ersten Seminar ging's um Bildungsungleichheit. Das hat mich im Studium ziemlich beschäftigt, und an der Uni waren eben diese gewerkschaftlichen Bezüge weniger das Thema. Da ging es zwar um Ungleichheit, aber mehr auf einer abstrakten Ebene. Und wir haben in der ver.di Jugend ja alle möglichen Themen, die sich mit Ungleichheit befassen, allgemein, aber eben auch feministisch. Und dann fand ich auch die gesamtgesellschaftlichen ver.di-Seminare gut, wo es so einen Rundumschlag gibt über alles, was die Welt zu dem komplizierten Ort macht, die sie ist.

ver.di publik: Woran liegt es eigentlich, dass Studierende das Thema Gewerkschaft nicht so auf dem Schirm haben?

Marie: Na ja, man neigt dazu, Probleme, die einen vermeintlich aktuell nicht betreffen, ein bisschen von sich wegzuschieben. Viele denken, das hat noch nichts mit mir zu tun, ich arbeite ja erst in ein paar Jahren. Manche stellen sich vielleicht auch vor, dass sie danach in irgendwelche hippen Startups gehen, wo keiner einen Betriebsrat braucht, weil sie ja alle so gute Freunde sind. Viele wissen gar nicht, was die Gewerkschaft ihnen bringt, und dass sie sie brauchen. Es kommt aber auch auf die Uni an, ich studiere mittlerweile in Heidelberg und da gibt's auch 'ne aktive DGB-Hochschulgruppe.

Sophie: Ich studiere in einem recht altmodischen Fachbereich, den Rechtswissenschaften, da kriege ich schon mit, dass viele meiner Kommilitoninnen denken, ach, ich bekomme Kind, Mann und dann regelt sich das schon von selbst. Oft wird das von Autoritäten auch noch angeregt. Professoren drücken schon mal Sprüche rein wie: "Die Hälfte fällt durch, die Hälfte kriegt ein Kind, und dann sitzen hier eh nur noch Männer." Auch die Studieninhalte sind manchmal voll sexistisch angelegt, da geht's oft um ein kleines Mädchen, das vom großen Anwalt gerettet werden muss. Ich habe das als Erstsemester gelesen und mich mit anderen beschwert. Manche Profs greifen das auf. Sie bemühen sich und gendern immerhin. Der erste Schritt ist gemacht.

ver.di publik: Und was macht ihr jetzt dieses Jahr am 8. März, dem Internationalen Frauentag?

Marie: Die Frauen unseres Landesbezirks Baden-Württemberg planen dieses Jahr ein Online-Programm. Sofern es – was die Pandemielage angeht – möglich und sicher ist, werde ich natürlich auf die Straße gehen.

Sophie: In Osnabrück soll ein Programmpunkt die symbolische Umbenennung des Theatervorplatzes in "Platz der Sorge" sein. Denn insbesondere Frauen arbeiten in Berufen, die in der Krise besonders wichtig sind. Darauf wollen wir mit einer Kundgebung und einem Infostand aufmerksam machen. Natürlich unter den geltenden Schutzvorschriften.