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Marktleitung mit Dino-Kostüm und Seifenblasen verunsichertFoto: Michael Sommer

An einem Samstagmorgen Ende Juni, kurz vor Ladenöffnung um 7 Uhr, rollt der Bus der ver.di Jugend Thüringen auf einen Kaufland-Parkplatz in Erfurt. Liegestühle werden ausgepackt, ein Pavillon, Kaffee und Frühstück, Fahnen, Flatterbänder und auch Flugblätter. Ein Drittel des Parkplatzes direkt vor dem Haupteingang wird abgesperrt, bunt dekoriert und mit Musik und jungen Menschen gefüllt.

Sie suchen das Gespräch mit den Kund*innen vor dem Markt, um sie auf die verzwickte Situation in den Tarifverhandlungen im Handel aufmerksam zu machen. Auf Flugblättern mit dem Titel "Keine Wertschätzung?" klärt die ver.di Jugend darüber auf, um welche Forderungen es in der Tarifrunde geht, dass die Verhandlungsbereitschaft der Arbeitgeber zu wünschen übriglässt und die Beschäftigten in den Märkten deshalb auch die Unterstützung der Bevölkerung benötigen. Das trifft auf Zustimmung.

Es dauert nicht lange, bis drei Marktleiter aus verschiedenen Filialen in Erfurt und Sömmerda auf dem Parkplatz erscheinen und versuchen, die Gruppe der ver.di Jugend vom Gelände zu scheuchen. Doch die Jugendlichen halten dagegen und bleiben auf den Liegestühlen mitten auf dem Parkplatz sitzen. Den Marktleitern erklären sie ihre gewerkschaftlichen Rechte in der Tarifauseinandersetzung, dass es ihr gutes Recht ist, die Beschäftigten im Einzelhandel mit dieser Aktion zu unterstützen.

Die drei Herren zeigen sich erbost und autoritär. Keine verwunderliche Reaktion, wie die Betriebsratsvorsitzende Winnie Funke feststellt: "Als wir unseren ersten Streik hatten und es zum Einsatz von Sicherheitsdiensten vor dem bestreikten Markt kam, dachte ich mir auch: Was glauben die denn? Dass wir jetzt die Regale kaputthämmern?" Ihre Stellvertreterin pflichtet bei: "Ich finde es wirklich peinlich, dass die Hausleitung Zeit hat, sich da zu dritt hinzustellen und sich aufzuführen, als wären wir Schwerverbrecher."

Den Einzelhandel unterstützen

"Wir hatten uns als Bezirksjugend dazu beraten, was wir machen könnten, um uns mit den Mitarbeitenden im Einzelhandel solidarisch zu zeigen. Etwas, das einen öffentlichen Aufschrei hervorruft, damit wir nicht nur die Beschäftigten erreichen, sondern auch diejenigen, die dort jeden Tag einkaufen und oft gar nicht wissen, unter welchen Bedingungen da eigentlich gearbeitet wird", erklärt Lukas Erlautzki, Azubi zum Krankenpfleger an der Zentralklinik Bad Berka, das Zustandekommen des Parkplatzpicknicks.

Die ver.di-Jugendsekretärin Saskia Scheler stellt sich dem Gespräch mit den Kaufland-Vertretern und staunt: "Die Marktleitung hat ständig ihre Argumentationslinie geändert: Von schnellen Drohungen über das aggressive Entfernen unserer Materialien, Kompetenzstreitigkeiten zwischen Marktleitung und Objektverwalter bis hin zu Besänftigung und Kompromissvorschlägen war vieles dabei. Das hat uns gezeigt: Sie sind auf diese Situation nicht vorbereitet und befürchten wahrscheinlich einen Nachahmer-Effekt." Es sei schon erstaunlich, wie schnell und wie heftig sich die Marktleitung von ein paar Jugendlichen mit Musik, Liegestühlen, Seifenblasen und einem Dino-Kostüm verunsichern lasse.

Die Tarifrunde im Einzel- und Versandhandel stellt sich als schwerer Brocken heraus. Die Beschäftigten in der Branche sind zum Großteil prekär beschäftigt, schlecht bezahlt und dadurch stark von Altersarmut bedroht. Viele inhabergeführte Märkte entziehen sich der Tarifbindung, obwohl ihr Konzern mit am Verhandlungstisch sitzt. Und um die Streikbereitschaft der Belegschaft zu mindern, bot Kaufland seinen Mitarbeiter*innen bereits eine fadenscheinige "vorzeitige Tariferhöhung", um die Beschäftigten praktisch aus der Tarifauseinandersetzung rauszukaufen.

Die Kaufland-Betriebsrätin Winnie Funke bedankt sich jedenfalls bei der Thüringer ver.di-Jugend für die beeindruckende und wirkungsvolle Aktion. Saskia Scheler fasst den erfolgreichen Tag zusammen. "Diese großartige Aktion war nur möglich, weil sich ehrenamtliche Kolleg*innen der ver.di Jugend branchenübergreifend solidarisch mit den Beschäftigten im Einzelhandel erklärt haben, sogar an ihrem freien Samstag in Aktion getreten sind und sich nicht von leeren Drohungen haben einschüchtern lassen", sagt die Jugendsekretärin und stellt klar: "Wenn ein Kollege aus einem IT-Unternehmen und eine Pflege-Auszubildende gemeinsam für die Beschäftigten im Einzelhandel eintreten, dann ist das gelebte Solidarität; dann ist das ver.di!"