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FoFo: Marc Steinmetz

Viele wissen es nicht, aber Deutschland spielt eine führende Rolle in der Standardisierung von Technik und Gewohnheiten. Dem Deutschen Institut der Normung (DIN) ist zum Beispiel zu verdanken, dass in der ganzen Welt ein Blatt Druckpapier ausgerechnet 21 mal 29,7 cm groß ist. Vor der DIN A4-Hegemonie müssen sich selbst chinesische Drucker-Hersteller beugen. Es nimmt also nicht Wunder, dass sogar das scheinbar willkürliche Buchstabieren beim Diktieren (Anton, Berta, Cäsar usw.) einer amtlichen Norm entspringt, nämlich der DIN 5009. Wo würde es wohl hinführen, wenn ein jeder je nach Gusto „B wie Bohnen“, „Bärbel“ oder „Bingo“ buchstabieren würde? Hiesige Mentalitäten scheint die Liebe zu verbindlichem Standard derart zu prägen, dass selbst die erklärten Gegner der Normativität nichts Dringenderes zu tun haben, als neue, vermeint­lich gerechtere Sprachnormen zu erlassen. Seit einiger Zeit hagelt Kritik auf die Diktierregeln. Diese seien sexistisch (16 männliche Vornamen gegenüber 6 weiblichen) und antisemitisch (in der Tat waren zur NS-Zeit jüdisch klingende Namen entfernt worden, so wurde „Nathan“ durch „Nordpol“ ersetzt). Also musste Norm 5009 dringend überarbeitet werden. Zu diesem Zweck tagt im Institut am Berliner DIN-Platz (kein Witz!) ein „Arbeitsausschuss Text- und Informationsverarbeitung für Büroanwendungen“ seit dem Herbst 2020. So viel Fleiß war nötig, denn es sei nach eigener Aussage sehr schwierig, „mit Vornamen die kulturelle Diversität der deutschen Bevölkerung genügend widerzuspiegeln.“ Nach langwierigem Kopfzerbrechen fiel dem Ausschuss ein, statt mit Vornamen die neue Buchstabiertafel mit 29 deutschen Städtenamen zu schreiben. Wie beim Scrabble hat es da der für Ö oder Y zuständige Mitarbeiter besonders schwer. Ende dieses Jahres soll ein erster Entwurf vorge­stellt werden, doch ist bereits eine Liste durchgesickert, die für weitere Diskriminierungsvorwürfe sorgen dürfte. Während etwa Nordrhein-Westfalen mit sieben Städten vertreten ist, geht nämlich Sachsen-Anhalt leer aus. Doch gibt es für Besserungen noch genügend Zeit. Die aktualisierte DIN 5009 wird erst Mitte nächsten Jahres definitiv beschlossen. Manche Menschen haben eine echt spannende Beschäftigung.