08.08 (136).jpg
Eine Form des angemessenen Gedenkens: Lesungen über das Leben einzelner WiderstandskämpferinnenFoto: ver.di Hamburg

Zum 10. Mal haben in diesem Jahr Kolleginnen des Arbeitskreis Antirassismus in ver.di Hamburg Biografien von Frauen vorgestellt, die im NS-Widerstand aktiv waren. In diesem Jahr waren es Erna Mros und Margarethe Hoefer. Anlass für die Lesung war das alljährlich im August stattfindende Ohlsdorfer Friedensfest (OFF).

Von Anfang an dabei war Ruth. "Das Ohlsdorfer Friedensfest gibt es ja schon länger und irgendwann kam dann der Vorschlag auf, dass auch der Arbeitskreis Antirassismus von ver.di sich dort einbringen sollte", erinnert sie sich. Zu diesem Zeitpunkt sei die Idee entstanden, Biografien zu recherchieren von Frauen aus der Arbeiter*innenbewegung, möglichst aus Hamburg, die sich im Widerstand engagiert haben und deren Wirken noch nicht bekannt ist. "Das war uns auch wichtig vor dem Hintergrund, dass immer mehr Zeitzeuginnen versterben und Erinnerung nicht mehr lebendig vermittelt werden kann", sagt Ruth.

Mit der Veröffentlichung der Biografien soll das Engagement der Frauen vor dem Vergessen bewahrt werden. Ruth versteht die Erinnerung auch als Mahnung: "Das Erinnern ist nicht wertfrei. Widerstand gegen rechte Gewalt, Rassismus und Diskriminierung findet vor allem im Alltag statt und in den Biografien werden die Auswirkungen des gelebten Widerstandes im Nationalsozialismus auf den Alltag der Frauen sehr plastisch."

Damit folgen die Autorinnen auch einem Leitgedanken des Ohlsdorfer Friedenfestes, das sich als Feier der Befreiung vom Nationalsozialismus versteht. In seinem Rahmen sollen auch neue Formen des angemessenen Gedenkens gesucht und erprobt werden.

Bei der Auswahl und Recherche legen Ruth und ihre Mitstreiter*innen das Augenmerk auf Frauen, die an der Basis gewirkt haben: Sie haben Flugblätter verteilt, Kurierdienste übernommen, Notleidende unterstützt, haben Genossinnen und Genossen aufgenommen oder Geld gesammelt. Die Frauen begaben sich damit ebenso in Lebensgefahr wie bewaffnete Widerstandskämpfer, wurden von der Gestapo verhört und oft auch gefoltert, in Isolationshaft oder ins Konzentrationslager gebracht. Lange wurde ihre Form des Widerstandes nicht als solcher wahrgenommen. Das hat sich inzwischen geändert, nicht zuletzt durch die Arbeit der Frauen aus dem ver.di-Arbeitskreis Antirassismus.

"Vieles ist aus unseren Lesungen erwachsen", erzählt Ruth. "Für Paula Mielke und ihren Mann gibt es jetzt Stolpersteine, wir haben einen nach ihr benannten Preis verliehen. Wir sind mit den Biografien das zweite Mal bei den Veranstaltungen des 'Bündnisses für den 8. Mai als Feiertag' dabei gewesen, zuletzt gab es Interesse von den Initiatorinnen der Seefrauenparade. Dort haben wir aus drei unserer Biografien gelesen."

Bei ihren Recherchen greifen die Autorinnen nicht nur auf Archive und Veröffentlichungen zu, sondern nehmen, wenn möglich, Kontakt mit den Kindern der Widerstandskämpferinnen auf. Diese Kontakte sind für Ruth etwas Besonderes: "Die Kinder haben oft eine eigene, nicht unbelastete Perspektive. Denn sie mussten oft oder zumindest zeitweise auf ihre Mutter verzichten." In der Regel sind die Kinder bei der Lesung der Biografien auf dem OFF dabei und bringen im Gespräch ihre eigene Perspektive ein. "Meist bekommen wir die Rückmeldung, dass die Würdigung der Mutter den Kindern guttut," berichtet Ruth. Anja Keuchel

Alle Biografien sind hinterlegt auf:

hamburg.verdi.de/gruppen/antirassismus. Gedruckte Exemplare können beim ver.di-Landesbezirk Hamburg bezogen werden